Nach landesweiten Unruhen und Protesten Ausnahmezustand in Bolivien

La Paz (AP). Nach landesweiten Protesten und Straßenblockaden hat die bolivianische Regierung am Samstag den Ausnahmezustand verhängt. Tausende Polizisten und Soldaten gingen im ganzen Land gegen die Demonstranten vor. Bei Zusammenstößen in verschiedenen Städten wurden drei Menschen getötet und eine unbestimmte Anzahl verletzt. Die Polizei nahm mehrere Anführer der Proteste fest und brachte sie nach Regierungsangaben in die abgelegene Stadt San Joaquin, nahe der brasilianischen Grenze. In der drittgrößten Stadt Cochabamba besetzten Polizisten Radiosender, um eine unabhängige Berichterstattung zu verhindern.

Die Unruhen hatten vor einer Woche in Cochabamba begonnen, als die Regierung die Gebühren für Wasser um 20 Prozent erhöhte. Den Protesten schlossen sich landesweit Bauern, Lehrer und Studenten an. In der Hauptstadt La Paz meuterten am Freitag mindestens 800 Elitepolizisten, die sich in ihrer Kaserne verbarrikadierten und Lohnerhöhungen forderten. Tausende Sympathisanten zogen vor das Gebäude, um ihre Solidarität zu bekunden. In den Städten Patacamaya und Lahuachaca kamen zwei Bauern unter ungeklärten Umständen ums Leben.

In Cochabamba steckten die Demonstranten Regierungsgebäude, ein Treibstofflager und Autos in Brand. Die Polizei ging mit Gummigeschossen, Tränengas und Wasserwerfern vor. Die Leiche eines vermutlich von der Polizei erschossenen Demonstranten wurde am Samstag in einem Trauerzug durch die Stadt getragen. Am Samstagabend hatte sich die Situation in Cochabamba beruhigt, Sicherheitskräfte patrouillierten in den Straßen.

Der Ausnahmezustand soll laut Regierung drei Monate in Kraft bleiben. Während dieser Zeit sind die Verfassungsrechte, die Reisefreiheit und die politischen Betätigungsmöglichkeiten eingeschränkt, außerdem gilt ein nächtliches Ausgehverbot. Informationsminister Ronnie MacLean begründete den Schritt damit, dass die Straßenblockaden eine Versorgung der Bevölkerung unmöglich machten. Präsident Hugo Banzer erklärte, die Demonstranten seien eine Gefahr für die Demokratie.

Die Regierung will mit der Preiserhöhung nach eigenen Angaben die Kosten für eine Verbesserung der Wasserversorgung decken. Die Demonstranten kritisieren, dass die Wassergebühren in Cochabamba nun umgerechnet etwa 60 Mark kosten, was sich die Hälfte der 500.000 Einwohner nicht leisten könne.

(RPO Archiv)
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