Iran: Der Protest im Internet Zweite Front im Kampf um die Macht

Teheran (RPO). Trotz staatlicher Zensur hat sich das Internet als Kommunikationsmedium nach der Wahl im Iran etabliert. Die Gegner Ahmedinedschads nutzen Twitter, Facebook und Blogs, um die Proteste zu organisieren und sich mit regierungskritischen Nachrichten auf dem Laufenden zu halten. Damit haben sie eine neue Front im Kampf um die Macht im Iran eröffnet.

Sechs Tage nach der Präsidentenwahl hat sich die Lage nicht beruhigt. Unfähig, das eigene Volk unter Kontrolle zu bringen, richtet sich das Regime nun auch gegen ausländische Journalisten. Seit Dienstag dürfen sie nicht mehr berichten, was sich auf offener Straße zuträgt. Gearbeitet werden darf nur noch vom Büro aus; Recherche ist lediglich per Telefon erlaubt. Frei bedienen darf man sich nur an dem, was die staatlichen Medien berichten.

Eine Nachrichtenquelle allerdings scheint das Mullah-Regime nicht in den Griff zu bekommen: Seit Tagen kommunizieren vor allem die Anhänger des angeblich unterlegenen Kandidaten Mir-Hossein Mussawi über das Internet. Über Webseiten wie den Nachrichtendienst Twitter, das soziale Netzwerk Facebook und Fotodienste wie Flickr berichtet die meist junge Protestbewegung von der Lage in Teheran.

Weil auch das Regierungslager mittlerweile die Bedeutung der Online-Nachrichten erkannt hat, ist es aber nicht mehr einfach zu erkennen, welche Quelle nun vertrauenswürdig ist, wer sich wirklich vor Ort aufhält und von dort berichtet ­ und wer nicht. Doch ohne diese Berichte im Internet würde die Welt viel weniger über das erfahren, was im Iran vor sich geht. Drei Beispiele aus Twitter-Nachrichten der vergangenen Tage:

"Ich kann gerade wieder niemanden erreichen, das Handynetz ist tot." Change_for_Iran, 14. Juni

Seit Tagen versucht das Regime im Iran, die Kommunikation der jungen Generation zu unterbinden. Einer, der sich als Student ausgibt und unter dem Pseudonym "Change_for_Iran" twittert, beklagt zwei Tage nach der Wahl, wie schwierig es mittlerweile sei, Mobiltelefone zu nutzen; das Handy-Netz funktioniert nur sporadisch. Zudem sind beliebte E-Mail-Dienste vom Staat abgeschaltet worden.

"Wegen der Schnelligkeit und des Internetfilters kann ich momentan nur Twitter nutzen", beschreibt der Nutzer seine Lage. Schon zwei Tage später berichtet "Change_for_Iran" dann davon, dass sich die Polizei vor den Häusern der Studenten positioniert habe. Auch gestern kursierten Gerüchte, dass Kämpfer der regimetreuen Basidsch-Miliz die Universität umstellt hätten.

"Sind mit den anderen immer noch auf den Straßen und Dächern und rufen ,Tod dem Diktator?." Persiankiwi, 15. Juni

Wer sich hinter dem Pseudonym "Persiankiwi" verbirgt, ist nicht bekannt. Zu hören ist allerdings, dieser Anhänger von Mussawi sei eigentlich ein in England lebender Scheidungsanwalt, der sich derzeit in Teheran aufhalte. Der Autor hat sich als eine der verlässlichen Quellen im Internet bewährt. Seit Tagen berichtet er über Demonstrationen, kennzeichnet, wenn sich Gerüchte als wahr erweisen.

"Bestätigt von Mussawi ­ Donnerstag Marsch ­ als Erinnerung an die Getöteten ­ Ort folgt", schreibt er am frühen Mittwochnachmittag, fünf Tage nach der Wahl. Wenig später melden auch die Nachrichtenagenturen, dass eine weitere Demonstration geplant sei. Drei Stunden später taucht auf der Internet-Plattform Youtube ein Video des friedlichen Protestmarschs auf.

"An alle Protestierenden: Bitte, bitte geht um sieben nach Hause. Lasst euch nicht verhaften, wenn es dunkel wird.? IranUpdate, 17. Juni

Auch "IranUpdate", der bei Twitter für gute Kontakte zu den Studenten gelobt wird, war bei der Demonstration dabei. "Haben heute extrem gut und friedlich protestiert", schreibt er und bedankt sich wenig später für die weltweite Unterstützung.

Denn Beistand erhalten die jungen Menschen im Iran auch von Internetnutzern auf der ganzen Welt. Sie helfen, die Nachrichten aus dem Iran zu verbreiten und die staatlichen Internetsperren zu umgehen, indem sie so genannte Proxy-Server bereitstellen, also alternative Zugänge zum Internet.

"Dies ist die erste große Chance für unser Land ­ gerade mit dieser weltweiten Unterstützung", schreibt "IranUpdate".

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