Toter Soldat in Taiwan Zehntausende fordern Aufklärung

Taipeh · Nach dem Tod eines jungen Rekruten infolge schwerer Misshandlung steht Taiwans Regierung unter Druck. "Wir wollen die Wahrheit", riefen hunderte Trauernde am Sonntag bei der Beerdigung des Soldaten dem Präsidenten Ma Ying Jeou zu, der zu der Zeremonie gekommen war. Am Samstag waren mehr als 100.000 Menschen im Gedenken an den 24-jährigen Hung Chung Chiu auf die Straße gegangen.

Die Beerdigung fand in Hungs Heimatstadt Taichung statt. "Als Präsident und Anführer der bewaffneten Streitkräfte des Landes garantiere ich Ihnen, dass Hung Chung Chius Tod nicht umsonst gewesen sein wird", sagte Präsident Ma an den Vater des Opfers gerichtet. "Eine solcheTragödie wird sich nicht wiederholen."

Hung war am 4. Juli an einem Hitzschlag gestorben. Nach Ärzteangaben versagten mehrere Organe, als er zu extremen körperlichen Übungen als Strafe für den unerlaubten Besitz eines Mobiltelefons an seinem Standort gezwungen wurde. Zudem war für Hung offenbar widerrechtlich Isolationshaft angeordnet worden. Nach Angaben seiner Familie wurde Hung mehrfach Wasser verwehrt, obwohl er kurz vor einem Kollaps gestanden haben soll. Er starb nur wenige Tage vor dem Ende seines einjährigen Militärdienstes.

Am Samstag hatten nach Angaben der Organisatoren nahe des Präsidentenpalastrs in der Hauptstadt Taipeh rund 200.000 Menschen für Hung demonstriert, die Regierung schätzte die Zahl der Teilnehmer auf 100.000. Die meisten waren in weiß gekleidet, der Farbe, die in Taiwans Kultur die Wahrheit symbolisiert.

Viele Demonstranten sangen eine taiwanische Version des Revolutionslieds "Do you hear the people sing?" aus dem Musical "Les Misérables". Hungs Mutter dankte den Demonstranten für deren Anteilnahme und sagte, sie hoffe auf "Wahrheit und Gerechtigkeit" für ihren Sohn.

Am Mittwoch hatte die Militärstaatsanwaltschaft Anklage gegen 18 Verdächtige in dem Fall erhoben. Ihnen werden fahrlässige Tötung, Freiheitsberaubung und die ungesetzliche Bestrafung eines Untergebenen vorgeworfen. Verteidigungsminister Kao Hua Chu war im Zusammenhang mit dem Fall zurückgetreten.

Die Aktivistengruppe Citizen 1985 kritisierte die Anklage allerdings als "überstürzt und nachlässig". Regierungschef Jiang Yi Huah sagte vor Journalisten, das Kabinett habe das Verteidigungs- und das Justizministerium damit beauftragt, den Fall gründlich zu untersuchen. Er versprach zudem, auf Forderungen der Gruppe nach der Einrichtung eines Ausschusses einzugehen, der sich mit den Vorgehensweisen der Militärinstitutionen beschäftigt.

Experten gehen davon aus, dass der Fall die Bemühungen der Regierung um eine Professionalisierung der Armee wieder zurückwirft. Das Verteidigungsministerium will die Dienstzeit von einem Jahr auf vier Monate verkürzen - in der Hoffnung, dass sich die Soldaten danach freiwillig länger verpflichten. Derzeit hat die taiwanische Armee massive Rekrutierungsprobleme.

(AFP)
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