Taliban töten ausländische Ärzte Wut und Empörung nach Mord an Deutscher

Kabul (RPO). Die Bundesregierung hat sich empört über den Anschlag im Nordosten Afghanistans geäußert, bei dem nach ihrem "derzeitigem Kenntnisstand" eine deutsche Staatsangehörige und mehrere ausländische Kollegen getötet wurden.

 Der Chef der Hilfsorganisation, Dirk Frans, telefoniert in Kabul mit Journalisten.

Der Chef der Hilfsorganisation, Dirk Frans, telefoniert in Kabul mit Journalisten.

Foto: AFP, AFP

Berlin dringe auf "gründliche Aufklärung der Umstände dieses feigen Mordes" und gemeinsam mit den afghanischen Behörden auf eine Bestrafung der Urheber des Verbrechens, erklärte eine Sprecherin der Bundesregierung am Samstag in Berlin.

Auch der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder zeigte sich bewegt: "Ich bin empört und erschüttert über den Mord an den Ärzten der christlichen Hilfsorganisation International Assistance Mission. Dieser brutale Akt zeigt, dass die Lage in Afghanistan noch immer schwierig und gefährlich ist", erklärte er. Die afghanische Polizei müsse nun alles daran setzen, um die Täter dingfest zu machen und zu bestrafen.

Trittin: Weit von Stabilisierung entfernt

Entsetzen auch beim Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. "Wir sind tief erschüttert über die Ermordung von Ärzten und Angehörigen von Hilfsorganisationen in Afghanistan", erklärte er. Ihr Tod zeige, wie weit das Land immer noch von einer Stabilisierung entfernt sei.

Trittin fügte hinzu: "Die Bundesregierung muss endlich klar machen, was sie bis zum Abzug der internationalen Kampftruppen 2013/2014 dort noch erreichen will an zivilem Aufbau, an Polizeiausbildung, und zu welchen Bedingungen sie einen politischen Kompromiss mit den Taliban schließen will."

Die Linken-Vorsitzende Gesine Lötzsch forderte den deutschen Abzug aus dem Land. "Die Nachricht vom Tod mehrerer Ärzte einer Hilfsorganisation, darunter eine Deutsche, in Afghanistan hat uns bestürzt. Unsere Trauer und unser Mitgefühl gilt den toten Ärzten und ihren Angehörigen", erklärte Lötzsch.

"In Afghanistan herrscht Krieg, er ist grausamer Alltag. Er führt uns in jedem Augenblick vor Augen, wie grundsätzlich falsch die Politik dieser und vorheriger Bundesregierungen war und ist", fügte Lötzsch an. Im Interesse der Bevölkerung, der Entwicklungshelfer sowie der deutschen Soldaten müsse die Bundeswehr sofort aus Afghanistan abgezogen werden.

Verwirrung um Zahl der Toten

Bei dem brutalen Überfall im Nordosten Afghanistans wurde ein achtköpfiges ausländisches Ärzteteam getötet. Unter den Toten seien eine Deutsche, eine Britin und sechs US-Bürger, sagte der Leiter der christlichen International Assistance Mission (IAM) am Samstag. Die Bundesregierung bestätigte den Tod der Ärztin aus Deutschland. Zu den Morden bekannten sich die radikalen Taliban.

Zum Zeitpunkt des Überfalls am Freitag sei das IAM-Team in der Provinz Badachschan auf dem Rückweg nach Kabul gewesen, sagte IAM-Direktor Dirk Frans. Die insgesamt zwölfköpfige Gruppe, bestehend aus mehreren Augenärzten, einem Zahnarzt, einem Allgemeinmediziner, sowie Krankenschwestern und einheimischen Begleitern sei auf Einladung örtlicher Gemeinden unterwegs gewesen und habe sich deshalb sicher gefühlt. Insgesamt waren demnach drei der ausländischen Opfer Frauen. Zudem wurden laut Frans zwei Afghanen getötet, zwei weitere Einheimische hätten überlebt.

Der Polizeichef von Badachschan, Aka Noor Kintos, hatte zunächst von sechs deutschen Opfern und zwei getöteten US-Bürgern gesprochen. Die in einem dichten Waldgebiet im Distrikt Kuran Wa Mindschan insgesamt zehn gefundenen Leichen seien von Kugeln durchsiebt gewesen, sagte Kintos. Ausrüstung und Geld seien gestohlen worden. Einer der Überlebenden habe berichtet, die Gruppe sei von Bewaffneten überfallen worden. Diese hätten sie in einer Reihe aufgestellt und erschossen.

Taliban bezeichnen Opfer als Spione

Das Ärzteteam missachtete laut Polizeiangaben die Warnung von Einheimischen vor Rebellen und campierte nach seinem Hilfseinsatz einige Tage in freier Natur. Der überlebende Afghane wurde demnach verschont, weil er Koranverse rezitierte, als er erschossen werden sollte. Dadurch hätten ihn die Bewaffneten als gläubigen Muslim identifiziert. Er sei in der von den Taliban dominierten Nachbarprovinz Nuristan freigelassen worden.

Die Taliban bekannten sich zu dem Überfall und erklärten, die christliche Gruppe habe missioniert und Rebellenstellungen ausspioniert. Eine Patrouille der Rebellen habe die Ausländer am Freitagmorgen aufgespürt, sagte Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid per Telefon von einem unbekannten Ort aus. Die "christlichen Missionare" hätten versucht zu fliehen und seien allesamt erschossen worden.

Sie hätten Bibeln in persischer Sprache mit sich geführt und zudem Satellitennavigationsgeräte verwendet, um "die Postionen der Kämpfer" aufzuzeichen. Die Ärzte hätten sich offenbar in der bergigen Region verirrt. Dem Rebellen-Sprecher zufolge waren unter den zehn getöteten neun Ausländer, davon vier Frauen.

IAM-Direktor weist Vorwürfe zurück

IAM-Direktor Frans widersprach dem Vorwurf, die Ärzte hätten in dem muslimisch geprägten Land missioniert. "Wir haben schon zur Zeit der Monarchie in Afghanistan gearbeitet, während der sowjetischen Besatzung und unter den Taliban und sie wissen, was wir tun", sagte Frans. Die Organisation, die ihren Hauptsitz dem Jahresbericht zufolge in Kabul ausweist und seit 1966 im Land aktiv ist, betreibt nach eigenen Angaben Augenkliniken in der afghanischen Hauptstadt sowie in den Städten Herat, Masar-i-Scharif und Kandahar.

Eine Sprecherin der US-Botschaft in Kabul bestätigte, dass sich unter den Getöteten mehrere US-Bürger befinden.

(apd/AFP/csi/das)
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