Analyse Worum es bei den Kämpfen in Mali geht

Düsseldorf · In Afrika droht ein neuer Krieg. Unter französischer Führung schickt sich eine internationale Streitmacht an, die Rebellen aus Nordmali zu vertreiben. Nach dem Nein zum Libyen-Einsatz steht Berlin jetzt unter Druck, die Verbündeten zu unterstützen.

Krieg in Mali - was kommt auf Deutschland zu?
Infos

Krieg in Mali - was kommt auf Deutschland zu?

Infos
Foto: afp, ROMARIC OLLO HIEN

Es begann vor wenigen Tagen als militärischer Alleingang Frankreichs. Doch schon bald könnten sich auch andere Länder an dem Einsatz gegen islamistische Gruppen in Mali beteiligen, darunter auch Deutschland. Im Folgenden beantworten wir die wichtigsten Fragen zu dem Konflikt.

Es wird vor einem "zweiten Afghanistan" in Mali gewarnt — warum?

Mali galt lange als ein demokratischer Musterstaat in Afrika. Doch nach einem Militärputsch im März 2012 nutzten Tuareg-Kämpfer gemeinsam mit Islamistengruppen das Machtvakuum, um den gesamten Norden Malis zu erobern und dort ein repressives Scharia-Regime zu errichten. Viele der Tuareg-Kämpfer hatten im Dienst des libyschen Diktators Gaddafi gestanden und waren nach dessen Sturz mit modernen Waffen in ihre malische Heimat zurückgekehrt. Sie drangsalierten die Bevölkerung und zerstörten in Gao und Timbuktu jahrhundertealte Mausoleen, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehören. Seither wird befürchtet, dass in dem riesigen, schwer zu kontrollierenden Gebiet ähnlich wie in Afghanistan unter den Taliban eine Heimstatt für islamistische Terroristen entstehen könnte. Mit dem Unterschied, dass diese dann nur drei Flugstunden von Europa entfernt operieren würden.

Was hat Frankreich dazu bewogen, jetzt in die Kämpfe einzugreifen?

Seit Monaten hatte Frankreich vor der sich zuspitzenden Entwicklung in Mali gewarnt und vergeblich versucht, die Uno und die USA zum gemeinsamen Eingreifen zu bewegen. Frankreich, ehemalige Kolonialmacht, fühlt seine Interessen in der Region unmittelbar bedroht. Unter anderem befindet sich im Nachbarland Niger eine Uranmine, die ein Drittel der französischen Atomkraftwerke versorgt. Der unerwartet schnelle Vormarsch der Islamisten auf die strategisch wichtige Stadt Mopti zwang Paris zum Handeln. Ein offizielles Beistandsgesuch des malischen Übergangpräsidenten Dioncounda Traoré lieferte den Anlass für die Operation "Serval".

Wer ist in die Kämpfe verwickelt?

An der Seite der seit dem Putsch demoralisierten und fast führungslosen malischen Armee griffen bisher vor allem die Hubschrauber der in Burkina Faso stationierten französischen Spezialeinheiten sowie Jagdbomber ein, die von einem französischen Stützpunkt im Tschad aus operieren. Eine Flugstunde entfernt verfügt Paris in der Elfenbeinküste zudem über 800 Marineinfanteristen für Bodeneinsätze. Aufseiten der Rebellen haben die Kämpfer der Terrororganisation "Al Qaida im islamischen Maghreb" das Sagen. Geheimdiensten zufolge haben die Islamisten insgesamt 6000 Kämpfer in Nordmali, darunter auch Dschihadisten aus Ägypten, dem Sudan, Somalia und Nigeria. In ihren Reihen kämpfen auch Männer des Volks der Tuareg. Ihre Bewegung nennt sich "Ansar Dine". Dritte Gruppe in der Allianz ist die "Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika", die ebenfalls die Scharia durchsetzen will.

Werden weitere Staaten in den Krieg eingreifen?

Das scheint sicher. Bereits Mitte November beschlossen die westafrikanischen Staatschefs, so schnell wie möglich eine Eingreiftruppe von 3500 Mann nach Mali zu schicken. Die EU hatte zuvor schon 200 Militärberater zugesagt, und vergangene Woche sprach sich dann auch der UN-Sicherheitsrat angesichts der Offensive der Islamisten für die schnelle Entsendung von internationalen Truppen nach Mali aus. Die USA und Großbritannien unterstützen den französischen Einsatz bereits mit Transportflugzeugen, Aufklärungsdrohnen und Geheimdienstinformationen.

Was sind die militärischen Ziele?

Frankreich ging es zunächst darum, den Vormarsch der Rebellen zu stoppen. Das scheint gelungen. Nun werden auch Ziele im Hinterland bombardiert. Die Angriffe sollen die Rebellen so weit wie möglich schwächen, um die spätere Rückeroberung von Nordmali durch die afrikanische Eingreiftruppe vorzubereiten. In Paris ist davon die Rede, der Einsatz werde einige Wochen dauern. In Armeekreisen aber richtet man sich darauf ein, dass Frankreich noch deutlich länger militärische Präsenz in Mali zeigen wird.

Wie ist Deutschland betroffen?

Es gilt in diplomatischen Kreisen als unvorstellbar, dass Deutschland sich wie im Falle Libyens erneut völlig aus dem Krieg heraushält. Die Entsendung von Kampftruppen ist zwar praktisch ausgeschlossen, aber die Bundeswehr könnte die Franzosen indirekt unterstützen, etwa durch die Bereitstellung von Transportkapazitäten. An der Ausbildungsmission der EU für die malische Armee wollte sich Deutschland ohnehin beteiligen. Aber auch ohne unmittelbaren Kampfeinsatz wäre Deutschland damit in den Konflikt verwickelt — und womöglich das Ziel von Vergeltungsakten. Die Bedrohung wäre aber sicherlich geringer als etwa für Frankreich, wo seit dem Wochenende eine hohe Terrorwarnstufe gilt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort