Konflikt weiter befeuert Putin stellt in TV-Ansprache Staatlichkeit der Ukraine infrage
Moskau · Russlands Präsident Putin hat die beiden Regionen Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine als unabhängige „Volksrepubliken“ anerkannt. Die Ukraine habe nie eine „echte Staatlichkeit“ gehabt. Die Entscheidung dürfte den Ukraine-Konflikt weiter stark befeuern.
Der Kremlchef bezeichnete die Ukraine am Montag in der Rede als einen durch Russland unter dem kommunistischen Revolutionsführer Lenin geschaffenen Staat. Die Denkmäler Lenins seien dort zerstört worden als Zeichen der „Dekommunisierung“, sagte Putin mit Blick auf die Abschaffung der Überreste des Kommunismus. „Wir sind bereit, der Ukraine zu zeigen, was eine echte Dekommunisierung ist.“
Die Ukraine habe nie eine „echte Staatlichkeit“ gehabt, sondern vielmehr Modelle kopiert, sagte Putin. Dort hätten heute Radikale und Nationalisten das Sagen - unter den Kuratoren des Westens, die das Land in die Sackgasse geführt hätten. Korruption und Machtkämpfe von Oligarchen würden verhindern, dass es den Menschen in der Ex-Sowjetrepublik besser gehe.
Außerdem bezeichnete Putin die Ukraine als eine US-Kolonie mit einer Marionetten-Regierung. Die USA und die Nato hätten die Ukraine unverhohlen zu einem Kriegsschauplatz gemacht, dort stationierte US-Drohnen in der Ukraine würden ständig Russland ausspionieren. Ein Nato-Beitritt der Ukraine wäre eine direkte Bedrohung der russischen Sicherheit. Die Nato habe die Bedenken Russlands komplett ignoriert. Russland unterstütze stets diplomatische Mittel, um Probleme zu lösen.
Aber die Nato habe Russland jahrelang getäuscht. Russland sei zu Sowjetzeiten bei der Wiedervereinigung Deutschlands versprochen worden, dass die Nato sich kein bisschen nach Osten ausdehne, sagte der Kremlchef. „Sie haben uns betrogen“, sagte Putin und warf dem westlichen Bündnis vor, bereits fünf Wellen der Ausdehnung nach Osten durchgezogen zu haben - und Russland wie einen Feind zu behandeln. Er hatte zuletzt mehrfach vor einer Aufnahme der Ukraine in die Nato gewarnt. Russland sieht sich dadurch in seiner Sicherheit bedroht.
Die Nato habe bisher alle Proteste und Warnungen ignoriert. Der Block habe seine militärische Infrastruktur immer weiter an die Grenzen Russlands heranbewegt. Das westliche Bündnis habe dabei auf Moskaus Sorgen „gespuckt“ und gemacht, was es wolle. Zugleich betonte Putin, dass Russland weiter bereit sei zum Dialog mit dem Westen - mit der Nato und den USA. Voraussetzung sei ein Ende der Osterweiterung, ein Verzicht auf die Stationierung von Raketenabwehrsystemen und ein Rückzug der Nato auf die Positionen von 1997, sagte Putin.
Putin hat bei der Fernsehansprache zudem trotz fehlender Beweise von einem Massenverbrechen am russischstämmigen Volk in der Ostukraine gesprochen. „Die sogenannte zivilisierte Welt zieht es vor, den von Kiew begangenen Genozid im Donbass zu ignorieren“, vier Millionen Menschen seien betroffen. Der Kremlchef hatte bereits am vergangenen Dienstag bei einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz im Zusammenhang mit dem Donbass das Wort „Genozid“ verwendet. Scholz ließ diese Behauptung zunächst unwidersprochen. Wenig später widersprach er Putins Darstellung aber deutlich: „Das ist ein heftiges Wort. (...) Es ist aber falsch.“ Scholz' Äußerung hatte breite Kritik in der russischen Führung hervorgerufen. Nach der Definition der Vereinten Nationen (UN) liegt ein Genozid etwa vor, wenn „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe in Teilen oder ganz zerstört“ wird. Die USA hatten Russland zuletzt beschuldigt, möglicherweise den Vorwurf des Völkermordes als Vorwand für eine Invasion der Ukraine nutzen zu wollen. Der Kreml hatte Angriffspläne immer vehement dementiert.
Nicht zuletzt warf Putin der Ukraine vor, eigene Atomwaffen bauen zu wollen. Dies komme Vorbereitungen für einen Angriff auf Russland gleich, sagte er. Die Ukraine habe das Atom-Know-How aus der Sowjetzeit. Wenn die Ukraine in den Besitz von Massenvernichtungswaffen komme, werde sich die globale Lage drastisch ändern. Dies könne nicht ignoriert werden.
Am Ende seiner Rede sagte Putin, dass Russland die abtrünnigen ukrainischen Regionen Luhansk und Donezk als unabhängig anerkennen will. Der Kremlchef unterzeichnete nach einem Antrag der Separatisten ein entsprechendes Dekret, wie das Staatsfernsehen zeigte. "Ich halte es für notwendig, eine längst überfällige Entscheidung zu treffen, nämlich die Unabhängigkeit und Souveränität der Volksrepublik Donezk und der Volksrepublik Luhansk unverzüglich anzuerkennen.“ Putin unterzeichnet auch einen Kooperations- und Freundschaftsvertrag mit den abtrünnigen Regionen in der Ost-Ukraine. Das russische Staatsfernsehen übertrug die Zeremonie, an der Vertreter der Separatisten anwesend teilnehmen. Die Entscheidung dürfte den Ukraine-Konflikt weiter stark befeuern. Zuvor hatte Putin den nationalen Sicherheitsrat angehört. Dessen Mitglieder sprachen sich mehrheitlich für die Anerkennung aus.