Ex-Rebellen in Libyen "Wir haben Regierungschef Ali Seidan festgenommen"

Tripolis/Düsseldorf · Eine Gruppe ehemaliger libyscher Rebellen hat am Donnerstag erklärt, Regierungschefs Ali Seidan "auf Anordnung der Staatsanwaltschaft festgenommen" zu haben.

Die Festnahme des Ministerpräsidenten in der Hauptstadt Tripolis sei gemäß dem libyschen Strafgesetz erfolgt, erklärte die Gruppe namens Operationszelle von Revolutionären auf ihrer Facebook-Seite im Internet. Die Zelle untersteht theoretisch den libyschen Ministerien für Verteidigung und Inneres.

Die staatliche Nachrichtenagentur Lana meldete unter Berufung auf einen Mitarbeiter der Abteilung für Verbrechensbekämpfung im Innenministerium, Seidan sei nicht entführt, sondern von seiner Abteilung "festgenommen worden".

Der Regierungschef war am Donnerstagmorgen von mehreren bewaffneten Männern aus einem Hotel in Tripolis verschleppt worden. Dem Innenministerium gehören auch ehemalige Rebellen an, die nicht immer den Vorgaben der Regierung folgen.

Bevölkerung soll Ruhe bewahren

Der libysche Ministerrat kam zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Auch das Parlament werde sich mit der Lage befassen, hieß es. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, Ruhe zu bewahren.

Die Regierung verdächtigte zwei Gruppen ehemaliger Rebellen, hinter der Tat zu stehen: die "Kammer der Revolutionäre Libyens" und die "Kampfbrigade gegen das Verbrechen", die theoretisch dem Verteidigungs- beziehungsweise dem Innenministerium unterstehen.

Aus dem Büro des Ministerpräsidenten verlautete, Seidan sei aus dem Hotel "Corinthia", in dem er residiert, entführt worden. Ein Hotelangestellter sagte der Nachrichtenagentur AFP: "Viele bewaffnete Männer sind am frühen Morgen eingedrungen. Aber wir haben nicht verstanden, was vor sich ging."

Seidan hatte zu Amtsbeginn den Aufbau einer neuen Armee als eine seiner vordringlichen Aufgaben benannt. Ein Jahr danach kommt der Aufbau der neuen Armee und Polizei aber nur langsam voran. Am Montag besetzten dutzende Soldaten den Amtssitz von Seidan, um die Auszahlung ausstehender Löhne zu fordern. Medienangaben zufolge warten sie seit Monaten auf ihren Sold.

Seit dem Sturz und Tod Gaddafis im Oktober 2011 kommt Libyen nicht zur Ruhe. Zahlreiche frühere Rebellenmilizen weigern sich, ihre Waffen abzugeben und versuchen mit Gewalt, ihren Forderungen Gehör zu verschaffen. Wiederholt belagerten bewaffnete Demonstranten Behörden, Ministerien und das Parlament. Zudem liefern sich die Milizen sowie rivalisierende Stämme immer wieder blutige Kämpfe.

US-Spezialkräfte entführten Al-Kaida-Mitglied

Am Samstag hatten US-Spezialkräfte in Tripolis den mutmaßlichen Al-Kaida-Planer Abu Anas al-Libi festgenommen und auf ein in der Region kreuzendes Kriegsschiff gebracht. Der libysche Staatsangehörige ist vor einem US-Bundesgericht in New York angeklagt. Die USA werfen ihm Beteiligung an den Anschlägen auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania im Jahr 1998 mit mehr als 200 Toten vor.

Libyens Regierung hatte von einer "Entführung" gesprochen und das Vorgehen der USA als Verletzung des Völkerrechts verurteilt. Tripolis bestellte die US-Botschafterin in Libyen ein und verlangte, dass al-Libi in seinem Heimatland der Prozess gemacht werden müsse.

(csr)
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