Im Norden Alaskas USA stimmen neuem Ölprojekt „Willow“ trotz Sorgen wegen Klimawandels zu

Juneau · Eigentlich hatte US-Präsident Joe Biden davon abgesehen, weiteres Land zur Öl- und Gasgewinnung zu verpachten. Unter Druck tat er es nun doch. Klimaschützer kritisieren die Laissez-faire-Einstellung gegenüber fossilen Treibstoffen.

Menschen demonstrieren gegen das Willow-Projekt.

Menschen demonstrieren gegen das Willow-Projekt.

Foto: AP/Patrick Semansky

Trotz der Warnung von Wissenschaftlern vor weiteren Emissionen aus der Produktion fossiler Brennstoffe gibt es in den USA ein neues Ölprojekt, das sich über Jahrzehnte erstrecken dürfte. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hat dem sogenannten Willow-Projekt des Konzerns ConocoPhillips im Norden Alaskas zugestimmt, mit dem auf dem Höhepunkt 180 000 Barrel Öl pro Tag gefördert werden sollen. Über einen Zeitraum von 30 Jahren würden durch die Verwendung dieses Öls Treibhausgas-Emissionen in Höhe von mindestens 263 Millionen Tonnen entstehen.

In der politischen Debatte über das Ölprojekt hat sich die Zerrissenheit der Biden-Regierung gezeigt, sowohl wirtschaftlichem Druck als auch Versprechen nachzukommen, die Nutzung fossiler Treibstoffe einzudämmen. Das Projekt veranschaulicht auch, dass in Ländern wie den USA die Wirtschaft noch immer größtenteils vom Öl-Verbrauch angekurbelt wird, während der Übergang zu sauberen Energien angestrebt wird.

„An irgendeinem Punkt müssen wir Öl und Gas und Kohle im Boden lassen“, sagt der Klimawissenschaftler Rob Jackson von der Stanford University. „Und für mich ist dieser Punkt jetzt - vor allem in einem gefährdeten Ökosystem wie der Arktis.“

Alaska kann sich auf wirtschaftliche Vorteile durch das Projekt einstellen. Dort war die Ölproduktion seit Ende der 1980er Jahre deutlich zurückgegangen. Sowohl Demokraten als auch Republikaner haben das Projekt denn auch unterstützt. Die Einnahmen aus Ölgeschäften in dem Staat helfen abgelegenen Gemeinden und Dörfern dabei, in örtliche Infrastruktur zu investieren. Doch auch in Alaska sind die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren: Eine Küstenerosion bedroht indigene Dörfer, es gibt ungewöhnliche Waldbrände und das Meereis wird dünner.

Die Internationale Energieagentur hat zu verstehen gegeben, dass neue Investitionen in Öl- und Gas-Bohrprojekte gestoppt werden müssten, wenn Länder ihr Ziel erreichen wollten, bis 2050 bei Emissionen auf netto Null zu kommen. Netto null bedeutet, es wird nur so viel Treibhausgas in die Atmosphäre abgegeben wie absorbiert werden kann.

Der Energiesektor ist für 90 Prozent des CO2-Ausstoßes weltweit verantwortlich. Er trägt zu drei Vierteln der Gesamtmenge von Treibhausgasen in der Atmosphäre bei, die vom Menschen verursacht sind.

Dennoch wird die Nachfrage nach Rohöl weltweit voraussichtlich weiter steigen, wie Analysten sagen. Der Energieexperte Jim Krane plädiert dafür, dass sich die Politiker besser darauf konzentrieren sollten, die Nachfrage zu reduzieren, anstatt etwas gegen das Angebot im Inland zu unternehmen.

„Wenn Sie das Angebot in den USA ohne irgendwelche Maßnahmen ins Visier nehmen, um die Nachfrage zu reduzieren, werden die Raffineriebetreiber ihr Öl einfach aus dem Ausland beziehen“, sagte Krane.

Durch das Projekt „Willow“ würden Emissionen entstehen, die denen von etwa 1,7 Millionen Autos entsprechen. Das sind nur 0,1 Prozent der Gesamtemissionen der USA. In Kreisen des US-Innenministeriums wird seit Jahren argumentiert, dass relativ geringe Emissionsmengen eine Genehmigung von Kohleminen oder eine Verpachtung von Land für Öl- oder Gasprojekte rechtfertigten.

Klimawissenschaftler Jackson warnt, dass dieser Ansatz nicht weiter Bestand haben könne, wenn die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels verhindert werden sollten. Die Erde sei „so weit von Null-Emissionen entfernt, wie wir es jemals gewesen sind“, sagt Jackson, auch wenn es einen Fokus auf erneuerbaren Energien gebe. „Das ist so, als würde man denken: Nun, jedes neue Auto, das wir auf die Straße setzen oder Kohlekraftwerk, das wir bauen, macht nichts aus, weil weltweit Millionen von anderen Autos und Tausende anderer Kohlekraftwerke in Betrieb sind.“

Die Biden-Regierung hatte bereits vor der Genehmigung des „Willow“-Projekts ihre Ablehnung gegenüber Öl- und Gasprojekten abgeschwächt. Biden hatte zuerst die Verpachtung von weiterem Land für Öl- und Gasprojekte ausgesetzt. Die demokratische Regierung setzte sich auch erfolgreich gegen eine Klage gegen ihre Politik von republikanischen Generalstaatsanwälten durch. Doch bei den Verhandlungen um ein Klimagesetz von vergangenem Jahr stimmte die Regierung einer neuen Verpachtung zu. Das tat sie, um die Unterstützung des demokratischen US-Senators Joe Manchin zu bekommen. In dem Gesetz ist vorgesehen, dass die Verpachtung mit der Entwicklung erneuerbarer Energien verbunden ist.

Die Regierung wird voraussichtlich noch in diesem Monat eine Verpachtung im Golf von Mexiko in die Wege leiten. Im Mai und Juni wird dies voraussichtlich in Wyoming, New Mexico, Montana und anderen US-Staaten erfolgen.

Umweltgruppen haben bei einem US-Bundesgericht beantragt, dass die Verpachtung im Golf von Mexiko gestoppt wird. „Diese Regierung hat versprochen, einen historischen Übergang zu sauberer Energie zu leiten, aber Taten sagen mehr als Worte“, sagte der Anwalt George Torgun von Earthjustice, der die Umweltgruppen repräsentiert.

(zim/dpa)
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