Proteste in Wien Zwölfjährige mit Familie abgeschoben – Österreichs Staatsoberhaupt zeigt sich tief betroffen

Wien · Österreich debattiert heftig über das Thema Abschiebung. Anlass ist ein Fall aus Wien: Dort wurde eine zwölfjährige Schülerin mit ihrer Familie abgeschoben, nachdem diese bereits seit 2006 in Österreich lebte. Nun schaltet sich auch der Bundespräsident ein.

 Menschen stehen in Wien bei einer Demonstration anlässlich der Abschiebepolitik der österreichischen Regierung.

Menschen stehen in Wien bei einer Demonstration anlässlich der Abschiebepolitik der österreichischen Regierung.

Foto: dpa/Hans Punz

In einer ungewöhnlichen Videobotschaft hat Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen die nächtliche Abschiebung von drei Schülerinnen scharf kritisiert. „Ich kann und will nicht glauben, dass wir in einem Land leben, wo dies in dieser Form wirklich notwendig ist“, kritisierte das Staatsoberhaupt am Donnerstag in einem in Sozialen Medien veröffentlichten Video. Zwar müsse jedes Staatsorgan auf Basis der geltenden Gesetze handeln. Aber es gehe auch um Augenmaß und rechtliche Spielräume. „Geben wir dem Wohl von Kindern, von Kindern und Jugendlichen Vorrang“, forderte Van der Bellen.

Die Aktion in Wien war laut Polizei von Protesten von 160 Personen, darunter Politiker der sozialdemokratischen SPÖ, der Grünen und der liberalen Neos begleitet. Sie setzten sich vor dem Abschiebezentrum in Wien besonders für eine der betroffenen Familien ein. Diese Familie lebte seit 2006 mit kurzen Unterbrechungen in Österreich. Das Aufenthaltsrecht der Familie war bereits vor vier Jahren letztinstanzlich verneint worden. Wie die Nachrichtenagentur APA berichtete, hielt sich zuletzt nur der Vater mit einem Touristen-Visum rechtmäßig im Land auf.

Einige Demonstranten versuchten, den Konvoi der Polizei mit einer Sitzblockade und sperrigen Gegenständen an der Abfahrt zu hindern. Nach Auflösung der Aktion wurde die Familie abgeschoben. Scharfe Kritik am Vorgehen des von der konservativen ÖVP geführten Innenministeriums kam vom grünen Koalitionspartner.

 Polizisten und Sicherheitskräfte lösten am Donnerstag Proteste gegen die Abschiebung auf.

Polizisten und Sicherheitskräfte lösten am Donnerstag Proteste gegen die Abschiebung auf.

Foto: dpa/Christopher Glanzl

Viele Schulkollegen und Lehrer der zwölfjährigen Schülerin, die in Österreich zur Welt kam, plädierten vergeblich für ein Bleiberecht der Gymnasiastin. Das Innenministerium verwies auf mehrere höchstgerichtliche Entscheide, die eine Abschiebung vorsahen. „Das ist auch für die eingesetzten Polizisten kein einfacher Dienst, aber dennoch notwendig, um hier dem Rechtsstaat zum Durchbruch zu verhelfen“, sagte der ÖVP-Innenminister Karl Nehammer dem Radiosender Ö1. In Österreich geborenen Kindern den Zugang zu einer Staatsbürgerschaft zu erleichtern, lehnte ÖVP-Sicherheitssprecher Karl Mahrer ab.

Der grüne Vize-Kanzler Werner Kogler nannte die Abschiebung „unmenschlich und unverantwortlich“. Bereits im Vorfeld hatten sich Grüne für den Verbleib und eine „menschliche Lösung“ der gut integrierten Familie eingesetzt. In Richtung des Innenministers Nehammer meinte Kogler: „Es gibt keine zwingende rechtliche Verpflichtung zur Abschiebung von Schulkindern, die hier in Österreich aufgewachsen sind und gut integriert sind.“ Die ÖVP, die unter Bundeskanzler Sebastian Kurz für einen strengen Migrationskurs steht, ist seit etwas über einem Jahr in einer Koalition mit den Grünen.

In Sozialen Medien empörten sich zahlreiche Menschen über das Vorgehen der Polizei inmitten der Pandemie. Zahlreiche Fotos und Videos der Demonstration sind etwa auf Twitter zu finden.

(hebu/dpa)
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