Wiederaufbau-Programm Ein durchaus moralisches Angebot

Meseberg · Bundeskanzlerin Angela Merkel und Italiens Regierungschef Giuseppe Conte versuchen in Meseberg einen deutsch-italienischen Gleichschritt. Dabei geht es vor allem um Geld.

 Angela Merkel und Guiseppe Conte im Garten von Schloss Meseberg.

Angela Merkel und Guiseppe Conte im Garten von Schloss Meseberg.

Foto: AP/Tobias Schwarz

Wenigstens ein bisschen Leichtigkeit. Angela Merkel und Giuseppe Conte schlendern durch den Garten von Schloss Meseberg. Der Rasen in perfekter Schnitthöhe, die Pflanzen sattgrün, das Wetter in Brandenburg kurz vor den Toren Berlins spielt auch mit. Sonne, immer wieder auch ein paar Wolken. Merkel empfängt Conte pünktlich um 16 Uhr im azurblauen Blazer. Es ist angerichtet für einen kleinen deutsch-italienischen Gipfel, der nach offizieller Lesart nur ein Arbeitsbesuch ist.

Damit gleich kein Missverständnis aufkommt, stellt Conte später zu einigem Ärger in seinem Land über Deutschlands harte Haltung zu Beginn der Pandemie etwa zu Corona-Bonds klar: Keine Frage, es habe anfangs „Emotionen“ gegeben, „aber das war eine Momentaufnahme“. Jetzt sei wieder alles im Lot mit „bella Germania“, stärkstes Land im Tourismus für Italien. Deutschland habe sein Land wirklich großartig unterstützt, das könne er „seelenruhig“ und mit großer Überzeugung sagen, lobt Conte. Wie überhaupt die Bundeskanzlerin großartige „Visionen“ für Europa habe. „Und glauben Sie mir, 27 Länder unter einen Hut zu bringen, ist nie leicht.“

Merkel hat in den vergangenen Wochen zahlreiche Staats- und Regierungschefs wahlweise nach Berlin oder nach Meseberg eingeladen. Mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hatte Merkel vor zwei Wochen in Meseberg über die Lage der EU in Corona-Zeiten, über Geld und Hilfsprogramme, über nicht rückzahlbare Zuschüsse an EU-Partner sowie über Kreditlinien beraten. In der vergangenen Woche war mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte einer der besonders sparsamen vier unter den 27 EU-Staaten in Berlin. Rutte wehrt sich wie gegen den Merkel-Macron-Plan, besonders hart von der Pandemie getroffenen EU-Partnern mit Zuschüssen zu helfen, die diese nicht zurückzahlen müssen. Ein durchaus moralisches Angebot. Es geht um 500 Milliarden Euro, die die EU an den Finanzmärkten als Kredite aufnehmen und dann als Zuschüsse an Corona-Krisenstaaten weitergeben soll. Mit nochmals 250 Milliarden Euro Krediten wächst der schuldenfinanzierte Wiederaufbauplan der EU-Kommission dann auf 750 Milliarden Euro. Mehr als 300 Milliarden davon sollen an die Krisenländer Italien und Spanien gehen.

Jetzt ist mit Conte der Regierungschef eines Landes da, das diese Zuschüsse besonders gut gebrauchen kann. Vor allem der reiche Norden, die Lombardei, und dort die Stadt Bergamo, ist von Covid-19 hart getroffen. Merkel sagt, im Moment könne man nicht sagen, ob dieser Gipfel schon ein Ergebnis bringen werde. Sie kennt diese Gipfel-Dynamiken. Vielleicht müssen die 27 Staats- und Regierungschefs zweimal durch die Nacht – erst die Nacht zu Samstag und womöglich noch zu Sonntag. „Ich weiß nicht, ob wir zu einer Einigung kommen, die Wege sind noch weit.“ Vielleicht werde auch ein Treffen nicht genügen, womöglich müsse man über den Sommer noch einen zweiten Gipfel anberaumen, ahnt Merkel. Aber eine Sache sei auch klar: „Europa muss etwas Wuchtiges liefern, es darf nicht verzwergt sein. Die Antwort muss ernst sein.“ 

Vier Tage vor dem ersten EU-Gipfel in Brüssel, bei dem sich die Staats- und Regierungschefs erstmals wieder in einem Saal versammeln, sind Merkel und Conte in Meseberg um Einigkeit bemüht. Es geht um Geld, um viel Geld, um Zuschüsse, um Kredite, um Solidarität in Europa. Merkel weiß: „Jeder ist Europa verpflichtet. Und jeder ist den Interessen seines Landes verpflichtet. Die Kunst ist, Brücken zu bauen.“ Der Brückenbau passt zu Fragen italienischer Journalisten an Conte, wie es nun mit dem Autobahnbau in Italien weitergehe. „Schwierige Verhandlungen“ würden das in Brüssel, blickt Conte wiederum auf den bevorstehenden Gipfel. Er mahnt zur Eile: „Wir müssen schnell handeln, wir müssen schnell reagieren. Denn die beste Reaktion ist nichts wert, wenn sie zu langsam kommt.“ Europa, avanti! „Europa muss seine eigene Stimme gut zu Gehör bringen.“

Die deutsch-italienische Verbindung muss geschmiert werden – für Europa. Merkel hat jetzt auch die Italiener mit im Boot. Wie hatte Merkel gesagt: „Die Aufgabe ist riesig. Und deswegen muss die Antwort auch groß sein.“ Ein Ergebnis, eine Einigung der 27 EU-Staaten würde passen als Geschenk – zu Merkels 66. Geburtstag am Freitag.

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