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Die Wahrheit über Barack Obama Wie liberal ist der US-Präsident?

Washington · Drei schwere Skandale werfen derzeit einen dunklen Schatten auf die Präsidentschaft von Barack Obama. Der wohl schwerwiegendste betrifft auch seinen Justizminister Eric Holder. In der Öffentlichkeit ist der einstige Hoffnungsträger Obama in die Defensive geraten. Selbst treue Anhänger sind verstört über sein Verhalten.

Barack Obamas schwierige Reden
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Als sich sein Kabinett zur allerersten Sitzung traf, stellte Barack Obama eines vorneweg: Er wünsche nicht, dass Regierungsmitglieder in der "New York Times" und der "Washington Post" miteinander verhandeln, wenn sie unterschiedliche Auffassungen haben. Fünf Monate später, bei einer sommerlichen Klausur, bündelte der Präsident in einem markanten Satz, wie wenig er von Plaudereien aus dem Nähkästchen hielt: "Wir sollten diese Debatten im inneren Zirkel führen, nicht draußen auf dem Marktplatz."

Offensichtlich fand sich dann doch eine Plaudertasche, die dem Journalisten Jonathan Alter Interna zusteckte, so dass er die Episode in ein Buch über das Innenleben des Weißen Hauses aufnehmen konnte. Was Alter bereits damals ansatzweise dokumentierte, wuchs sich aus zu einer Besessenheit, die zu harscher Kritik am Präsidenten sowohl von links als auch von rechts geführt hat. Was selbst Sympathisanten verstört, ist der nahezu missionarische Eifer, mit der Obamas Riege Informationslecks aufzuspüren versucht.

Rigider Kontrollwahn

Der Eindruck rigiden Kontrollwahns, gepaart mit ausgeprägter Geheimniskrämerei — US-Medienhäuser treibt Obama angesichts der Überwachungsaffäre bei der Nachrichtenagentur AP auf die Barrikaden. Dass der Justizminister Telefondaten auswerten ließ, ist allein noch kein Skandal. Per Gesetz hat Eric Holder das Recht, solche Untersuchungen anzuordnen, wenn er Schaden für die nationale Sicherheit fürchtet. Für heftigen Widerspruch sorgt vielmehr das Gefühl, dass er dabei jeden halbwegs vernünftigen Rahmen sprengte. Holders Ermittler studierten sämtliche Verbindungsdaten von 20 Telefonen, die AP-Reporter benutzten, und das über zwei Monate hinweg.

Allein das Ausmaß der Aktion sät Zweifel an der amtlichen Version, wonach man lediglich herausfinden wollte, wer der Agentur geheime Erkenntnisse über einen im Jemen ausgeheckten, von der CIA vereitelten Sprengstoffanschlag zugespielt hatte. Eher sieht es nach einer systematischen Jagd auf Quellen von Journalisten aus, mit dem Ziel, auf Transparenz bedachte Insider davon abzuschrecken, überhaupt noch mit Journalisten zu reden.

Verbunden mit dem Verdacht einer politisierten Verwaltung, ist es der rote Faden, der sich auch durch ein zweites Affärenkapitel zieht. Mit dem Erstarken der stockkonservativen Tea-Party-Rebellen begann die Steuerbehörde IRS, eigentlich strikter Neutralität verpflichtet, Anträge auf Steuerbefreiung gesellschaftlich aktiver Gruppen nach Gesinnung zu sortieren. Tauchten Begriffe wie "Tea Party" oder "Patriots" in den Formularen auf, wurde auffallend lange geprüft und akribisch nachgefragt.

Zwar versichert Obama glaubhaft, er habe nichts von den Praktiken gewusst und sei empört gewesen, als er bei der Zeitungslektüre davon erfuhr. Doch die anfangs verbreitete Fabel, wonach ein paar falsch beratene Beamte auf eigene Faust handelten, hat sich als falsch herausgestellt; auch die hauptstädtische IRS-Zentrale war mit der Causa Tea Party befasst. Die Republikaner jedenfalls riechen Blut. Als Nächstes möchte Mitch McConnell, ihr Fraktionschef im Senat, herausfinden, ob das Weiße Haus von der IRS-Saga wusste.

Erinnerung an Watergate

Nichts von allem kommt dem Watergate-Skandal, der Richard Nixon das Amt kostete, auch nur annähernd nahe, wohl auch nicht der Iran-Contra-Affäre, bei der Ronald Reagan Federn ließ. Eher muss Obama gerade erfahren, wie rasch den rhetorischen Höhenflügen zum Beginn zweiter Amtszeiten die Niederungen der Ebene folgen.

Bill Clinton zollte dem euphemistisch beschriebenen "Presidential Sex" mit der Praktikantin Monica Lewinsky Tribut, George W. Bush war nach dem Hurrikan "Katrina" völlig entzaubert. Bei Obama ist es zurzeit eher der Abnutzungseffekt, der sich einstellen kann, wenn das Tröpfeln täglicher Negativnachrichten die Regierung in die Defensive zwingt.

Am prägnantesten, weil am wenigsten taktisch motiviert, ist die Enttäuschung linksliberaler Bürgerrechtler, die 2008 zu den treuesten Anhängern Obamas zählten — eines Politikers, der einst in Chicago Verfassungsrecht lehrte und sich von Bush dadurch absetzte, dass er dezidiert amerikanische Grundwerte beschwor.

Einer vor zwei Wochen wiederholten Ankündigung, Guantánamo endlich zu schließen, ist an Taten, ja Versuchen bislang nichts gefolgt. Und John Kiriakou, ein früherer CIA-Agent, sitzt für 30 Monate hinter Gittern, weil er den Namen eines Kollegen preisgegeben hatte, der am "Waterboarding" von Terrorverdächtigen beteiligt war. Wegen der Folter an sich wurde in keinem einzigen Fall strafrechtlich ermittelt. Ein weitaus prominenterer Fall ist der des Obergefreiten Bradley Manning, der sich vor einem Militärrichter verantworten muss, nachdem er brisante Daten der Wikileaks-Plattform von Julian Assange zugespielt hatte.

Drohnenangriffe in Pakistan

Ausgeprägt ist auch das Unbehagen über das vermeintliche Wundermittel der Anti-Terror-Strategen: Drohnenangriffe in Pakistan, Jemen und Somalia. Hatte Bush in acht Jahren etwa 50 derartige Attacken befohlen, waren es unter Obama allein in den ersten vier Amtsjahren fast 300. Immer dienstags geht er mit Beratern die Liste potenzieller Ziele durch, ohne dass ein Gericht bremsen könnte. Im Kongress häufen sich inzwischen kritische Fragen.

Vergleicht Anthony Romero, Chef der Bürgerrechtsliga ACLU, den Stil des Präsidenten Obama mit den Versprechen des Kandidaten Obama, zieht er ein Fazit, wie es 2008 kaum denkbar gewesen wäre: "Diese Regierung neigt dazu, bei Grundwerten Kompromisse einzugehen." Dafür stehe aktuell die Überwachung von Reportern ebenso wie die Schikane der IRS — "und der Ton wird nun mal ganz oben vorgegeben".

(RP/csi/jco)
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