Nach der Festnahme Wie geht es weiter mit Karadzic?

Frankfurt/Main (RPO). Mehr als zwölf Jahre war Radovan Karadzic auf der Flucht, am Montag wurde seine Festnahme bekanntgegeben. Ein schnelles Verfahren gegen den wegen Völkermordes angeklagten früheren Präsidenten der bosnischen Serben ist aber nicht zu erwarten. Es könnte Jahre dauern, bis es abgeschlossen ist.

Das ist Radovan Karadzic
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Das ist Radovan Karadzic

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Am Dienstag erließ ein Richter in Belgrad eine Verfügung, wonach Karadzic an das UN-Tribunal für Kriegsverbrechen in Den Haag überstellt werden soll. Karadzic kann gegen diese Entscheidung Berufung einlegen, sein Anwalt hat dies auch schon angekündigt. Wie lange dieses Verfahren in Belgrad dauern wird, ist nach Angaben einer Gerichtssprecherin noch nicht absehbar.

Nach seiner Überstellung nach Den Haag wird Karadzic in ein nah an der Nordseeküste gelegenes niederländisches Gefängnis gebracht. Dort starb 2006 der frühere serbische und jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic. In den Einzelzellen gibt es neben Bett und Tisch eine Dusche, eine Toilette, ein Waschbecken und Fernsehen. Die Häftlinge können Kurse in Kunst, Sprachen oder Naturwissenschaften belegen. Außerhalb der Zellen haben sie zudem die Möglichkeit, gemeinsam Sport zu treiben oder zu lesen.

Zum ersten Mal öffentlich zu sehen sein wird der 63-Jährige dann bei einer ersten Anhörung. Sollte Karadzic selbst keinen Verteidiger engagieren, stellt ihm das Tribunal einen Anwalt zur Seite. Nach der ersten Anhörung hat das Gericht gelegentlich Verdächtige wieder auf freien Fuß gesetzt, so dass sie bis zum Prozessbeginn in ihrem Heimatland leben konnten. Angesichts der schwerwiegenden Vorwürfe gegen Karadzic - er war zuletzt der meistgesuchte Angeklagte des Haager UN-Tribunals - ist eine solche Entscheidung allerdings nicht zu erwarten.

Hoffnungen auf schnellen EU-Beitritt

Nach der Festnahme macht sich Serbien nun verstärkt Hoffnungen auf einen EU-Beitritt. Doch einige EU-Staaten dämpften Serbiens Vorfreude auf schnelle EU-Beitrittsverhandlungen. Zwar sprach man in der Union von einem wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer Annäherung Serbiens an die EU.

Zugleich wurde aber auch auf weitere noch Flüchtige verwiesen - wie den einstigen Befehlshaber der bosnisch-serbischen Streitkräfte, Ratko Mladic, der wie Karadzic unter anderem die Verantwortung für das Massaker von Srebrenica mit 8.000 ermordeten Muslimen tragen soll. Serbien steht seit Jahren unter erheblichem internationalen Druck, mutmaßliche Kriegsverbrecher an das UN-Tribunal in Den Haag auszuliefern.

Karadzics unerkanntes Dasein

Karadzic, der ausgebildete Psychiater, habe zuletzt unter dem Namen Dragan Dabic in einer Privatklinik gearbeitet und sein Geld mit Alternativmedizin verdient, teilte die serbische Regierung am Dienstag mit. Gewohnt habe er im modernen Belgrader Stadtbezirk Novi Beograd. Ein Foto, das die Ermittler präsentierten, zeigt Karadzic mit Brille, langen weißen Haaren und weißem Bart. Unter seinem falschen Namen soll er sogar Artikel für ein Gesundheitsmagazin geschrieben haben.

Auf seiner jahrelangen Flucht soll sich Karadzic auch in Klöstern und Höhlen versteckt haben. Nach Informationen des "Tagesspiegel" erkaufte sich der frühere bosnisch-serbische Militärchef Ratko Mladic offenbar mit der Weitergabe von Informationen über Bewegungen Karadzics einen Aufschub der eigenen Festnahme. Mladic versuche zu erreichen, vor ein serbisches Gericht gestellt zu werden, um der Überstellung nach Den Haag zu entgehen.

Karadzic gehörte zu den meistgesuchten Akteuren des Balkankonflikts. Er ist in Den Haag wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Bosnienkrieg von 1992-1995 angeklagt und gilt als Hauptverantwortlicher für das Massaker von Srebrenica, bei dem im Juli 1995 rund 8000 Muslime starben. Das UN-Tribunal stuft die Gräueltat als Völkermord ein. Außerdem muss er sich für die 43-monatige Belagerung von Sarajevo verantworten, bei der 10.000 Zivilisten starben.

Feiern auf der einen, Proteste auf der anderen Seite

Nach der Festnahme versammelten sich in der Nacht Dutzende Anhänger Karadzics protestierend vor dem Gerichtsgebäude in Belgrad, in dem er einem Untersuchungsrichter vorgeführt wurde. Schwer bewaffnete Einheiten der serbischen Polizei zogen auf. Mit Autokorsos und Hupkonzerten feierten indessen bosnische Muslime in Sarajevo und anderen Städten die Festnahme.

Wenn Karadzic ausgeliefert wird, ist er der 44. Serbe, der dem Tribunal in Den Haag überstellt wird. Prominentester Verdächtiger war bislang der frühere serbische und jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic, der 2000 gestürzt wurde und 2006 in Untersuchungshaft in Den Haag starb.

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