Konferenz in Paris Wie die Welt das Klima retten will

Berlin · In Paris treffen sich am Montag 150 Staatsoberhäupter, um der zweiwöchigen Weltklimakonferenz den nötigen Schub zu geben. Deutschland steht mit seiner Energiewende besonders im Fokus. Wann schafft Deutschland nach dem Atomausstieg auch den Kohleausstieg?

Konferenz in Paris: Wie die Welt das Klima retten will
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Barbara Hendricks freut sich, dass sie wie geplant mit dem Sonderzug der Bahn nach Paris fahren kann. "Ich bin froh, dass die französische Regierung die Klimakonferenz nicht abgesagt hat", sagt die Bundesumweltministerin. Frankreich und vor allem Paris befinden sich nach den Terroranschlägen vom 13. November im Ausnahmezustand, es herrscht die höchste Sicherheitsstufe.

Dennoch hatte die französische Regierung schon kurz nach den Anschlägen entschieden, die Weltklimakonferenz mit ihren 40.000 Teilnehmern aus 195 Ländern nicht ausfallen zu lassen. 2800 Polizisten sollen die zweiwöchige Konferenz schützen, die am Montag mit dem wohl größten Treffen von Staatsoberhäuptern beginnt, das es jemals gegeben hat: Rund 150 Staats- und Regierungschefs haben ihr Kommen zugesagt.

Mit diesem beeindruckenden Auftakt will die französische Regierung dem Konferenzverlauf den entscheidenden Schub verleihen. Am Ende soll die Weltgemeinschaft einen neuen Weltklimavertrag vereinbaren, in dem sich alle Unterzeichner verpflichten, den Ausstoß gefährlicher Treibhausgase bis 2050 drastisch zu verringern. Gemeinsames Ziel ist, die Erderwärmung gegenüber der Zeit vor 1900 auf zwei Grad zu begrenzen.

 Barbara Hendricks vertritt Deutschland bei der Klimakonferenz.

Barbara Hendricks vertritt Deutschland bei der Klimakonferenz.

Foto: laif

Optimistisch stimmt die deutsche Chef-Unterhändlerin Barbara Hendricks und viele andere vor der Konferenz, dass anders als vor früheren Konferenzen diesmal schon 177 Staaten eigene Konzepte vorgelegt haben, was sie selbst beitragen wollen, damit das Zwei-Grad-Ziel erreicht werden kann.

Zusagen reichen nicht aus

Doch Wissenschaftler haben errechnet, dass diese Zusagen bei Weitem noch nicht ausreichen. Sie taugen allenfalls, die Erderwärmung bis 2050 auf 2,7 Grad einzudämmen, hat etwa das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung errechnet. Andere Experten halten einen Temperaturanstieg um bis zu 3,4 Grad für möglich — trotz der Klimaschutzversprechen.

Um das zu verhindern, dringen die Bundesregierung und etliche Teilnehmer darauf, in Paris eine langfristige und überprüfbare Strategie zur CO2-Reduzierung zu vereinbaren. Im Abschlussdokument soll sich die Weltgemeinschaft zur "Dekarbonisierung" in diesem Jahrhundert bekennen, also zum kompletten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wie Kohle, Gas und Öl. Es gehe um nichts weniger als eine "grundlegende Transformation der Weltwirtschaft", hieß es am Donnerstag in deutschen Regierungskreisen. Aus Sicht vieler Klimaschützer käme der weltweite Kohleausstieg 2100 aber zu spät, sie wünschen sich statt dessen schon 2050 als Zieldatum.

Wie soll die Einhaltung überprüft werden?

Möglichst solle alle fünf Jahre überprüft werden, ob die einzelnen Staaten ihren Selbstverpflichtungen nachkommen, sagt Hendricks. Manche Länder wollten hier lieber einen zehnjährigen Zyklus. In Paris müsse unbedingt geklärt werden, wie der verbindliche Überprüfungsmechanismus konkret aussehen solle, wie Fortschritte dokumentiert würden und wer überhaupt die Kontrolle darüber innehaben solle.

Um ärmere Länder mitzunehmen, sollen die Industrieländer verlässlich versprechen, dass sie ansteigend bis 2020 zusammen jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar bereit stellen, damit ärmere Länder aus diesem Fonds Klimaschutzinvestitionen bezahlen können. Derzeit gebe es bereits Zusagen für 85 bis 90 Milliarden US-Dollar, hieß es in Berlin. Man sei zuversichtlich, auch noch den letzten Rest in Paris zusammen zu bekommen. Wichtig sei allerdings, was nach 2020 passieren solle. Auch danach müsse die Summe weiter mobilisiert werden.

"Ich bin vor Paris zuversichtlicher als vor anderen Konferenzen", sagt die frühere NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne). "Erstmals können wir Ländern wie China oder Indien mit den erneuerbaren Energien eine funktionierende Alternative zu Kohle, Gas, Öl oder Atomkraft anbieten." Die erneuerbaren Energien seien technologisch genug gereift, um heute eine echte Alternative zu sein. Deutschland sei mit seiner Energiewende nach wie vor für viele Länder in der Welt ein Versuchslabor, hieß es in den deutschen Regierungskreisen. "Wir müssen den anderen Ländern zeigen, dass so etwas gehen kann", sagte ein hoher Regierungsbeamter.

Nicht nur aus Sicht der Grünen leidet Deutschland vor allem in letzter Zeit als Energiewende-Land zunehmend an Glaubwürdigkeitsverlust. Mit dem Ausstieg aus der Atomkraft und dem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien haben die Energieversorger in den vergangenen Jahren zunehmend billige Kohle eingesetzt. Die Folge: Der deutsche CO2-Ausstoß war kurzzeitig gestiegen, heute stagniert er.

"Der Druck auf Deutschland, endlich aus der Kohle auszusteigen, ist deutlich gestiegen. Die Bundesregierung muss in Paris glaubhaft machen, dass wir das spätestens in 20 bis 25 Jahren hinkriegen wollen", sagte Höhn. Hendricks hatte in dieser Woche einen entsprechenden Vorstoß gewagt und im Alleingang angekündigt, Deutschland wolle schon in "20 bis 25 Jahren" aus der Kohle ausgestiegen sein.

In der Bundesregierung gab es dazu keinen Kommentar. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hielt sich im Bundestag gestern bedeckt, auch das Kanzleramt wollte sich nicht hinter Hendricks stellen. Die Grünen halten einen Kohleausstieg "in 20 Jahren für realistisch und machbar". Die betroffenen Regionen und Unternehmen müssten nur ab sofort darauf vorbereitet und umstrukturiert werden.

Offiziell verweist die Bundesregierung auf ihre Ausbauziele für die erneuerbaren Energien. Geplant ist, dass Windräder und Sonnenkollektoren 2050 80 Prozent des deutschen Strombedarfs decken sollen. Der Kohle-Strom würde so zurückgedrängt, allerdings bleibt offen, mit welchen Energieträgern die Lücke von 20 Prozent geschlossen werden soll. Den CO2-Ausstoß will Deutschland bis 2050 um 95 Prozent gegenüber 1990 drosseln.

(mar)
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