Libyen Wettlauf um Gaddafis Öl

Tripolis (RPO). Wer ist am schnellsten im neuen Libyen? Gleich drei Staatsmänner haben innerhalb von zwei Tagen dem Übergangsrat in Libyen einen Besuch abgestattet. Denn jetzt geht es nicht nur um den Aufbau eines neuen Staates, sondern Libyens Öl rückt auch wieder in den Mittelpunkt des Interesses. Und von dem Kuchen wollen viele gern etwas abhaben.

Es sind sprechende Aufnahmen, die derzeit in Libyen geschossen werden. Sie zeigen drei Männer in Siegerpose. Es sind der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy, der britische Premier David Cameron und der Chef des libyschen Übergangsrates, Mustafa Abdel Dschalil. Alle drei haben ein stolzes Lächeln auf den Lippen, sie halten sich an den Händen, als wären sie schon immer die engsten Verbündeten gewesen.

Dabei hatte etwa Sarkozy noch vor wenigen Jahren den früheren libyschen Machthaber Muammar al Gaddafi mit großen Gesten empfangen, für ihn sogar ein Zelt errichten lassen. Doch Frankreich hat früh aufs richtige Pferd gesetzt, den militärischen Einsatz in dem nordafrikanischen Land vorangetrieben. Nun zeigt sich sein Präsident voller Inbrunst und stolz in Libyen. Ganz nach dem Motto: Seht her, wir stehen an Libyens Seite - in jeder Stunde.

Viertgrößte Ölproduktion Afrikas

Es geht nicht nur darum, einem Land beim Wiederaufbau helfen zu wollen, sondern es geht auch darum, dass Libyen über große Öl- und Gasinteressen verfügt. Noch liegt die Produktion relativ brach, doch nach einer Schätzung der Organisation der erdölexportierenden Länder (Opec) dürfte das Land innerhalb von anderthalb Jahren wieder so viel Öl produzieren wie vor den Kämpfen.

Und das war nicht wenig - 1,6 Millionen Barrel, umgerechnet 254 Millionen Liter, hatte Libyen vor dem Aufstand pro Tag produziert. In der Rangliste der Ölreserven liegt es auf Platz neun. Innerhalb von Afrika verfügte Libyen über die viertgrößte Ölproduktion. Und auch für Deutschland spielt das Land eine enorme Rolle - nach Angaben des Auswärtigen Amts ist Libyen Deutschlands drittwichtigster Öllieferant.

Doch Deutschland hat sich nicht am Nato-Einsatz beteiligt und könnte nun das Nachsehen haben, wenn es um neue Aufträge in diesen wichtigen wirtschaftlichen Branchen geht. Denn der Übergangsrat hatte während des Besuchs der beiden Staatschefs angekündigt, die westlichen Verbündeten bei künftigen Geschäften zu bevorzugen. Kein Wunder also, dass Sarkozy und Cameron mit einem siegesgewissen Lächeln auf nahezu jedem Foto aus Tripolis zu sehen sind.

Die Türkei als Vorbild

Doch nicht nur Frankreich und Großbritannien wollen etwas vom großen Kuchen der Wirtschaftsverträge abhaben. Auch der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan brachte eine Wirtschaftsdelegation mit, als er am Freitag in der Hauptstadt Tripolis eintraf. Auch ihm geht es um Gesten und Symbolik. Regelrecht herzliche Begrüßungen mit Umarmungen - so ließ sich Erdogan mit den nun für Libyen wichtigen Männern ablichten.

Auch Erdogan will Gespräche über die Zusammenarbeit mit der neuen Führung führen, hieß es im Vorfeld. In der Praxis dürfte das ebenfalls heißen: vorfühlen, inwieweit die Türkei wirtschaftlich vom Umsturz profitieren kann. Und Erdogan, der derzeit durch alle Länder des Arabischen Frühlings reist, die einen politischen Umsturz hatten, treibt noch etwas anderes: die politische Perspektive. Denn oft war die Türkei als Vorbild genannt worden für jene Länder, in denen Demokratie und Islam miteinander harmonieren. Jetzt bietet sich für die Türkei die Chance, als Vorreiter zu fungieren und eine Vormachtstellung zu erhalten.

Die Bilder von Donnerstag und Freitag jedenfalls zeigen, dass der Wettlauf um Libyens Öl und Gas schon längst in vollem Gange ist. Und so wird es in der nächsten Zeit wohl noch mehr Staatsmänner geben, die so schnell wie möglich nach Tripolis reisen wollen.

(mit Agenturmaterial)
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