G-8-Treffen Westerwelle warnt vor Atomwaffen in Terroristenhand

Ottowa (RPO). Vizekanzler Guido Westerwelle macht die atomare Abrüstung zum Mega-Thema seiner Amtszeit. Beim G-8-Außenministertreffen im kanadischen Ottawa warnte er vor dem Anwachsen der Zahl der Atomstaaten. Damit wachse die Gefahr, dass Atombomben in Terroristenhände kämen.

 Außenminister Guido Westerwelle fürchtet Atomwaffen in der Hand von Terroristen.

Außenminister Guido Westerwelle fürchtet Atomwaffen in der Hand von Terroristen.

Foto: AFP, AFP

Das Kanzleramt in Berlin arbeitet längst an einem umfangreichen Sanktionenkatalog gegen den Iran. Wenn der Mullah-Staat seinen Griff nach der Atombombe nicht überzeugend aufgibt, soll es spätestens bei den G-8- und G-20-Treffen im Juni in Kanada zu Entscheidungen kommen, die die Führung in Teheran nachhaltig treffen. Doch die Stoßrichtung ist umstritten. Wie weit soll der Westen seine Firmen zum Verzicht auf Geschäfte mit dem Iran unter Druck setzen? Wie lässt sich verhindern, dass die Bevölkerung unter den Sanktionen leidet, dass die Führung die Sanktionen gar nutzt, um wieder zum Schulterschluss mit dem unzufriedenen und protestierenden Volk zu kommen? Schwierige Fragen, auf die auch die Außenminister bei ihrem G-8-Vorbereitungstreffen im kanadischen Ottawa noch keine überzeugenden Antworten fanden.

Ein vom Gastgeber an die Medien durchgestochene Abschlussdokument wurde von den anderen Konferenzteilnehmern umgehend streitig gestellt. Wiewohl sich die USA und Russland erst in der vergangenen Woche beim Abbau der strategischen Atomwaffen handelseinig geworden sind, gehen ihre Vorstellungen über die Eindämmung der Gefahren aus dem Iran noch weit auseinander. Ganz zu schweigen von der chinesischen Position, die im Rahmen der G-20-Treffen erst noch an eine gemeinsame Haltung herangeführt werden muss. Zudem befürchten auch andere Schwellenländer, hinter dem Vorgehen gegen den Iran stecke der Anspruch der USA auf Hegemonie — die Atomsanktionen gegen Teheran seien im Grunde der Versuch Amerikas, keine anderen Staaten sich nach eigenem Willen entfalten zu lassen.

Viel Überzeugungsarbeit hat dabei auch Guido Westerwelle zu leisten. Der Schüler und Fan von Hans-Dietrich Genscher, der wie kein anderer Außenminister für Abrüstung, Verständigung und Wiedervereinigung stand, hat die Abrüstung zum Leitthema seiner Amtszeit gemacht. Er handelt dabei nach einem ganz einfachen Bild: Abrüstung sei wie Fahrradfahren. Wenn nicht mehr gestrampelt wird, wenn alle Bemühungen auf der Stelle stehen, fällt das Rad um.

Schnelle Sympathien sind nach seiner Überzeugung damit nicht zu gewinnen. Ob das ein schwacher Trost für die in den Keller gerutschten persönlichen Sympathiewerte sein soll? Jedenfalls zieht Westerwelle die Genugtuung aus anderen Entwicklungen: Dass er Norwegen und die Benelux-Länder zu einer gemeinsamen Initiative zum Abzug der letzten Atomwaffen aus Europa gewinnen konnte. Dass Kanada die Nichtweiterverbreitung zu einem Schwerpunktthema der G-8-Außenministerkonferenz gemacht hat. Dass es leichter geworden ist, über "nuclear zero" zu sprechen, seit auch US-Präsident Barack Obama das Ziel ausgegeben hat, an einer atomwaffenfreien Welt zu arbeiten. Beim nächsten Nato-Außenministertreffen will Westerwelle damit vorankommen, die letzten Bomben von deutschem Boden zu verbannen — im besten Nato-Einvernehmen, versteht sich.

Doch diese "Relikte des kalten Krieges ohne militärischen Sinn", so Westerwelle, sind "Peanuts" im Vergleich zu dem ganz großen Abrüstungsrad, das in den nächsten Monaten weltweit zu drehen ist. Der Iran verspricht zwar immer wieder, sein Atomprogramm diene allein friedlichen Zwecken. Doch dann droht er damit, Israel von der Landkarte "auszuradieren", erklärt sich selbst zur Atommacht, testet die Reichweite neuer Raketen und arbeitet vor allem an einer immer höheren Anreicherung, die mit friedlicher Nutzung nichts mehr zu tun hat, sondern allein für eine Verwendung in Atomsprengköpfen Sinn macht.

Wo Westerwelle auch ist, ob in Brüssel, in China, in Brasilien oder jetzt in Kanada, immer wieder versucht er, das Bedrohungspotenzial nicht allein auf den Iran zu verkürzen. Mit jedem weiteren Staat, der über Atomwaffen verfüge, wachse die Gefahr, dass diese verheerenden Mittel auch in terroristische Hände gelangten, stellt er zum Auftakt des zweiten Konferenztages fest. Die Politischen Direktoren haben sich indes hinter den Kulissen noch nicht auf eine überzeugende und hinreichend konkrete G-8-Erklärung einigen können. Also müssen die Chefs am späten Abend deutscher Zeit noch einmal selbst ran.

Am Beispiel Afghanistans haben sie wenigstens bereits Einigungsfähigkeit bewiesen. Der Kurs, in verantwortlicher Weise die Sicherheit am Hindukusch mehr und mehr in afghanische Hände zu legen, wird einhellig unterstützt. Auch der von Westerwelle frühzeitig unterstützte Vorstoß, Taliban-Mitläufer aus dem Terrorismus herauszuziehen und ihnen andere berufliche Perspektiven zu bieten, findet Rückendeckung der anderen G-8-Außenminister. Und schließlich verständigt sich die Runde auf ein intensives Infrastrukturprogramm mit zahlreichen Projekten für die Grenzregion zwischen Afghanistan und Pakistan, mit dem den Terroristen ihr Rückzugsraum genommen werden soll.

Also geht Westerwelle nach nicht einmal einer Hand voll Stunden Schlaf optimistisch in die Schlussrunde. Gleichzeitig ist zu spüren, dass er sich nach kräftezehrenden Auslandsreisen und knüppelharten innenpolitischen Debatten auch darauf freut, über Ostern erst einmal ein paar Tage ausspannen zu können. Wenn es die Weltlage zulässt.

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