Kämpfe um Aleppo dauern an Westerwelle gegen Militäreinsatz in Syrien

Berlin/London · Während Bundesaußenminister Guido Westerwelle vor einem Militäreinsatz in Syrien warnt, planen die USA und die Türkei offenbar schon für die Ära nach Präsident Baschar al Assad. An der Grenze zwischen Syrien und Jordanien ist es zu schweren Schießereien gekommen. In Damaskus griff ein Rebellenkommando einen Armeekonvoi an. In Aleppo gingen die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und den Aufständischen unvermindert weiter.

Die wichtigsten Gruppierungen der syrischen Opposition
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Foto: dapd, Mohammad Hannon

Notfalls sollte Machthaber Baschar al-Assad ins Exil gehen können, wenn mit dieser Lösung der Bürgerkrieg beendet werden könne, sagte Westerwelle der "Bild am Sonntag". "Das Beste wäre, wenn Assad vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gestellt würde", sagte Westerwelle. "Sollte sich allerdings ein weiteres Sterben vermeiden lassen, indem Assad das Land freiwillig verlässt, steht für mich die Strafverfolgung nicht im Vordergrund. Das würde zwar gegen mein Gerechtigkeitsgefühl gehen, aber das Wichtigste ist, das Sterben zu beenden und eine friedliche und demokratische Zukunft Syriens zu ermöglichen."

USA und Türkei planen Syriens Zukunt

Unterdessen wollen die USA und die Türkei eine gemeinsame Arbeitsgruppe zur Koordinierung ihrer Haltung in der Syrienkrise bilden. Die humanitären Probleme in Syrien könnten sich nach Einschätzung beider Staaten dramatisch verschärfen. Die Gewalt des syrischen Regimes scheine keine Grenzen zu kennen, sagte US-Außenministerin Hillary Clinton am Samstag bei einer Pressekonferenz mit ihrem türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoglu in Istanbul.

"Niemand kann sagen, wann das Regime fallen wird, aber der Tag wird kommen", sagte Clinton. Der syrischen Opposition müsse dann geholfen werden, die Institutionen des Staates zu schützen und eine demokratische und pluralistische Regierung aufzubauen. Zudem müssten Lager für chemische Waffen bei einem Sturz des Regimes geschützt werden, betonten Clinton und Davutoglu.

Die Chefin der amerikanischen Außenpolitik sprach in Istanbul auch mit syrischen Aktivisten, um "Erfahrungen aus erster Hand" zu erhalten. Sie traf aber keine bewaffneten Kämpfer. Flüchtlinge berichteten ihr über die Gewalttaten der Regierungstruppen. Diese würden dokumentiert, sagte Clinton. "Es wird keine Straflosigkeit geben, sobald es eine neue Regierung gibt", betonte die US-Außenministerin.

Sowohl die USA wie auch die Türkei unterstützen die Rebellen, bestreiten aber Waffenlieferungen. Berichte über ein Ausbildungslager für Rebellen auf türkischem Boden sind bisher offiziell nicht bestätigt worden.

Gefechte an der jordanischen Grenze

An der Grenze zwischen Syrien und Jordanien lieferten sich Grenztruppen der beiden arabischen Länder in der Nacht zum Samstag schwere Gefechte. Syrische Soldaten schossen auf eine große Gruppe syrischer Flüchtlinge, auch als diese sich schon auf jordanischem Boden befanden. Die jordanischen Truppen erwiderten das Feuer, bestätigten Sicherheitskreise in Jordanien.

Gefechte an der syrisch-jordanischen Grenze sind nicht selten, doch der 30-minütige, intensive Feuerwechsel beim Grenzdorf Al-Schadschirah war einer der schwersten dieser Art, unterstrichen die jordanischen Sicherheitskreise. Auf jordanischer Seite wurde niemand verletzt, hieß es. Die Heftigkeit der Kämpfe sei darauf zurückzuführen, dass sich in der Gruppe von 500 syrischen Flüchtlingen Dutzende hochrangige Armee-Offiziere befanden, sagten syrische Aktivisten in Amman. Die Militärs waren demnach zuvor aus den syrischen Streitkräften desertiert.

Syrische Rebellen griffen am Samstag einen Armeekonvoi im Zentrum von Damaskus an. Augenzeugen hörten eine laute Explosion und berichteten von einem Feuergefecht nahe dem zentralen Mardscha-Platz. Das staatliche syrische Fernsehen meldete gleichfalls eine Bombenexplosion in der Nähe dieses Platzes. "Terroristen" hätten daraufhin auf "Zivilisten" geschossen, hieß es in diesem Bericht. Opferzahlen lagen zunächst nicht vor.

Schwere Waffen in Aleppo

In der seit drei Wochen hartumkämpften Stadt Aleppo starteten die Regierungstruppen am selben Tag neue Angriffe. Sie gingen mit Kampfflugzeugen, Helikoptern, Panzern und schwerer Artillerie gegen die Stellungen der Aufständischen vor. "Die Belagerung durch die Regimetruppen erschwert es uns, ausreichenden Nachschub an Munition in die Stadt zu bringen", sagte der Rebellenkommandeur Abu Omar al-Halebi der Deutschen Presse-Agentur am Telefon. Auch mache sich die waffentechnische Überlegenheit des angreifenden Militärs bemerkbar.

Nach Einschätzung des Chefs des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, hat bereits die Endphase des Assad-Regimes begonnen. Dafür gebe es viele Anhaltspunkte, sagte Schindler in einem Interview der Zeitung "Die Welt". Die Armee mit ihren einst 320.000 Soldaten habe Verluste erlitten, nach aktuellen Schätzungen rund 50.000 Mann, darunter Tausende Verwundete, Deserteure und Überläufer zur militanten Opposition. "Die Erosion des Militärs hält an", sagte Schindler.

Die Opposition mit schätzungsweise 20.000 Kämpfern sei allerdings heterogen. Den regulären Streitkräften stehe eine Vielzahl flexibel agierender Kämpfer gegenüber, erläuterte Schindler. "Ihr Erfolgsrezept ist eine Art Guerillataktik. Das zermürbt die Armee zunehmend." Der Widerstand werde keineswegs von Islamisten dominiert, betonte der Terrorexperte. "Sie sind in der Minderheit." Darunter seien radikale Gruppierungen wie die Al-Nusrah-Front. Es spreche viel dafür, dass es zwischen dieser und dem Terrornetzwerk Al Qaida Verbindungen gibt.

Kriegsschiffe in Richtung Mittelmeer

Das britische Verteidigungsministerium bestätigte indessen die Entsendung von Kriegsschiffen zu einer Militärübung ins Mittelmeer. Die Entsendung sei bereits seit längerer Zeit für Oktober und November geplant und Teil einer Übung gemeinsam mit Alliierten, teilte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage der dpa mit. Zuvor hatten unter anderem russische Medien berichtet, Großbritannien und Frankreich planten die Entsendung von Flugzeugträgerverbänden in die Gewässer vor Syrien.

Frankreich will an der Grenze zu Syrien nicht nur Kriegsflüchtlinge humanitär unterstützen. Geholfen werden solle auch Kämpfern gegen das syrische Regime, sagte Präsident François Hollande. Frankreich hat in dieser Woche an der jordanisch-syrischen Grenze eine Gruppe Mediziner stationiert. Hollande sagte, Frankreich werde die syrische Opposition unterstützen und setze weiter "auf einen politischen Übergang in Syrien".

(dpa)
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