Ukraine-Konflikt Westen droht Putin mit neuen Sanktionen

Moskau/Kiew · Aus Moskau kommen weiter Dementis, doch für viele in der EU und der Nato besteht kein Zweifel an der russischen Einmischung im Nachbarland. Russland drohen wegen seinem Vorgehen gegen die Ukraine neue Sanktionen. Mehrere EU-Außenminister sprachen am Freitag von einer russischen Invasion.

Lässt dieser Mann ein Nachbarland überfallen? Seit Ausbruch der Kämpfe sollen bis zu 4000 russische Soldaten auf ukrainischem Boden gewesen sein.

Lässt dieser Mann ein Nachbarland überfallen? Seit Ausbruch der Kämpfe sollen bis zu 4000 russische Soldaten auf ukrainischem Boden gewesen sein.

Foto: afp, ski

Moskaus Rolle in dem Konflikt mit inzwischen 2600 Toten ist aber weiter undurchsichtig. Präsident Wladimir Putin meldete sich mit Ermahnungen an die prorussischen Rebellen zu Wort. Er forderte die von Russland unterstützten Separatisten auf, den Weg für umzingelte ukrainische Soldaten freizugeben und "sinnloses Sterben zu vermeiden".

Gemeint sind womöglich Soldaten, die seit einer Woche bei Ilowaisk östlich von Donezk gefangen sind. Ein Rebellenführer in Donezk sagte zu Putins Forderung, die ukrainischen Soldaten müssten vor einer Freilassung ihre Waffen niederlegen. Das wiederum lehnt die ukrainische Seite ab.

Putin äußerte sich nicht zu Vorwürfen der Nato und der Ukraine, dass reguläre russische Einheiten mit schwerem Kriegsgerät ins Nachbarland eingedrungen seien und dort gegen ukrainische Soldaten kämpften. Eine Art Dementi kam vom russischen Außenminister Sergej Lawrow: Moskau seien keine Tatsachen vorgelegt worden, die dies bewiesen.

EU-Minister fordern neue Sanktionen

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen entgegnete am Freitag: "Trotz der hohlen Dementis aus Moskau ist jetzt klar, dass russische Truppen und Gerät illegal über die Grenze gekommen sind. Das ist eine krasse Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine. Es läuft allen diplomatischen Bemühungen um eine friedliche Lösung zuwider."

Auch mehrere EU-Außenminister wiesen die russische Darstellung zurück. "Wir sehen, wie reguläre russische Armeeeinheiten auf ukrainischem Gebiet offensiv gegen die ukrainische Armee vorgehen", sagte der schwedische Ressortchef Carl Bildt bei einem EU-Treffen in Mailand. Das müsse man beim Namen nennen.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte, man werde alle Optionen erwägen - ausgenommen militärisches Eingreifen -, weil Russland "den falschen Weg" eingeschlagen habe. Sein estnischer Kollege Urmas Paet sagte: "Die Europäische Union sollte sich darauf vorbereiten, mögliche neue Maßnahmen gegen Russland zu ergreifen, denn die Situation wird immer noch schlimmer." Der EU-Gipfel am Samstag soll über die neuen Sanktionen beraten.

Polen verwehrt russischen Außenminister den Überflug

Unterdessen hat Polen am Nachmittag für diplomatische Irritationen gesorgt, indem es den russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu kurzzeitig an der Heimkehr über polnischen Luftraum gehindert hat. Die polnische Luftüberwachung habe der Maschine des Ministers am Freitag zunächst den Überflug verwehrt, meldete die Staatsagentur Ria Nowosti. Das Flugzeug habe deshalb in Bratislava landen müssen, hieß es. Die russische Botschaft in Warschau teilte am Abend mit, dass der Minister doch über Polen heimkehren dürfe, wie die Agentur Interfax meldete. Schoigu hatte in der Slowakei an einem Weltkriegsgedenken teilgenommen.

Ein Sprecher der polnischen Luftaufsicht in Warschau begründete das Überflugverbot mit formalen Problemen. Die Militärmaschine mit Schoigu an Bord sei als ziviler Flug angemeldet worden. Ein Militärflug müsse jedoch 72 Stunden im Voraus angemeldet werden. Es handele sich wahrscheinlich um einen Fehler des russischen Piloten. Polen gehört zu den Staaten, die das russische Vorgehen in der Ukraine besonders scharf kritisieren.

Bis zu 4000 russische Soldaten in der Ukraine

In der Ukraine selbst hatte ein hoher Rebellenführer zuletzt eingeräumt, dass seit Ausbruch der Kämpfe 3000 bis 4000 russische Soldaten die Separatisten unterstützt hätten. Nach Eroberung der strategisch wichtigen Stadt Nowoasowsk im äußersten Südosten versicherten die Besetzer dort jedoch am Freitag, sie hätten keine russischen Waffen, sondern nutzten das von ukrainischen Truppen zurückgelassene Gerät. Reporter der Nachrichtenagentur AP sahen vor Ort mindestens ein halbes Dutzend Panzer mit Flaggen der selbst proklamierten autonomen Republik "Neurussland".

Ein Sprecher der Rebellen in Nowoasowsk bestätigte, dass der Plan sei, in das weit größere Mariupol rund 35 Kilometer westlich weiter zu marschieren. Seit Tagen wird spekuliert, dass die Rebellen einen Korridor zur von Russland annektierten Krim eröffnen wollen.

Den Vereinten Nationen zufolge wurden von den insgesamt rund 2600 Toten seit Mitte April 2220 allein in den vier Wochen zwischen Mitte Juli und Mitte August registriert. Das UN-Menschenrechtsbüro warf beiden Seiten - Rebellen wie der ukrainischen Armee - Grausamkeiten und Menschenrechtsverstöße vor. Es müsse mehr für den Schutz von Zivilisten getan werden, sagte UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay.

(ap, dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort