Lobbyismus-Skandal Wer kaufte sich Zugang zu David Cameron?

London · Sie ist elegant, clever eingerichtet und laut Augenzeugen "unglaublich aufgeräumt" – die Vierzimmerwohnung mit zwei Designer-Küchen unter der Adresse Downing Street 11, in der die fünfköpfige Familie Cameron lebt. Im Mai 2011 bewunderte Michelle Obama das senffarbene Edelsofa und den modernen 3400-Pfund-Herd im privaten Appartement des Tory-Premierministers, für dessen Unterhalt die Steuerzahler aufkommen. Jetzt verlangt die Westminster-Opposition eine parlamentarische Untersuchung aller Empfänge, die David und Samantha Cameron in der Nummer Elf gegeben haben.

David Cameron startete als Hoffnungsträger
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Sie ist elegant, clever eingerichtet und laut Augenzeugen "unglaublich aufgeräumt" — die Vierzimmerwohnung mit zwei Designer-Küchen unter der Adresse Downing Street 11, in der die fünfköpfige Familie Cameron lebt. Im Mai 2011 bewunderte Michelle Obama das senffarbene Edelsofa und den modernen 3400-Pfund-Herd im privaten Appartement des Tory-Premierministers, für dessen Unterhalt die Steuerzahler aufkommen. Jetzt verlangt die Westminster-Opposition eine parlamentarische Untersuchung aller Empfänge, die David und Samantha Cameron in der Nummer Elf gegeben haben.

Der Grund dafür ist ein Lobbyismus-Skandal, der für die regierende Partei in Großbritannien katastrophale Konsequenzen haben könnte: Die Konservativen stehen im Verdacht, reichen Spendern einen exklusiven Zugang zum Premier und geheime politische Einflußnahme verkauft zu haben. Es war einer jener raffinierten "Undercover"-Einsätze, für die die britische Presse so bewundert und gefürchtet wird.

Reporter locken Torys in Falle

Zwei Reporter der "Sunday Times" gaben sich als Mitarbeiter eines in Liechtenstein ansässigen arabischen Vermögensfonds aus, um Zugang zum obersten Spendensammler der Konservativen zu bekommen. Nach drei Monaten Vorarbeit stellten sie dem Multimillionär Peter Cruddas eine direkte Frage: Wie teuer wäre ein Gespräch unter vier Augen mit Cameron über den möglichen Kauf des staatlichen Postdienstes Royal Mail? Die Antwort war ebenso direkt: Je mehr Geld in die Tory-Parteikasse fließen würde, desto besser würden die Interessen der ausländischen Unternehmer im Kabinett berücksichtigt werden.

Cruddas ahnte nicht, dass er während des Gesprächs von den Journalisten heimlich gefilmt wurde. Der Zugang in die 'Premier League‘ von Westminster würde 250.000 Pfund (300.000 Euro) kosten, eröffnete der Parteikämmerer den Interessenten: "Manche Spender wurden zum Abendessen mit dem Premier und Samantha in deren Privatwohnung eingeladen. Auch Sie würden Cameron beim Abendessen beliebige Fragen stellen können".

Cruddas ging noch weiter: "Wenn Sie etwas stört, werden wir zuhören und das politische Team in der Nummer Zehn informieren". Als die Zeitung am Sonntag mit ihren Enthüllungen an die Öffentlichkeit ging, gab es einen Aufschrei. Cruddas‘ Parteikarriere als Spendensammler ging noch am selben Tag zu Ende.

Dagegen haben Camerons Probleme gerade erst begonnen. Nach geltendem Recht dürfen die Parteien in London keine Geldgeschenke von ausländischen Geschäftsleuten akzeptieren, zudem müssen alle Spenden im Wert über 7500 Pfund offen gelegt werden. Abgesehen von diesen Einschränkungen, die Peter Cruddas offensichtlich umgehen wollte, galt für die Regierungen des Königreichs bislang eine ungeschriebene Regel: Halboffizielle Abendessen mit Spendern sind zulässig, solange sie im größeren Kreis und außerhalb der Downing Street abgehalten werden.

Die Briten haben einst den Begriff "Lobbyismus" erfunden, doch sie legen heute viel Wert auf die Unabhängigkeit ihrer politischen Entscheidungsträger und die Transparenz der Einflussnahme von Unternehmen und Organisationen im Parlament. Darum haben die Skandale um "unsaubere" Parteispenden in der Regel schwerwiegende Folgen für die jeweiligen Regierungschefs, die mit polizeilichen Ermittlungen und demütigenden Verhören rechnen müssen.

Gewaltiger Image-Schaden

So musste 2006 der damalige Premier Tony Blair in der Nummer Zehn den Scotland-Yard-Beamten Rede und Antwort stehen, die den angeblichen Verkauf von Lord-Titeln (und Sitzen im Oberhaus) an reiche Labour-Spender untersucht haben. Erst acht Monate später war Blair entlastet worden. Auch im aktuellen Skandal wurde die Justiz eingeschaltet. Bereits jetzt haben jedoch Cruddas‘ Versprechen dem konservativen Premier einen gewaltigen Imageschaden zugefügt.

Denn Cameron hat als Oppositionschef den "störenden" Lobbyismus scharf kritisiert. "Wir alle wissen, wie es funktioniert: Die Mittagessen und Empfänge, die leisen Worte im Vertrauen, die angeheuerten Ex-Minister, die den Weg für die Großunternehmen ebnen… der nächste Skandal wird kommen", prophezeite vor seinem Wahlsieg 2010 der angebliche "Saubermann" der Londoner Politik.

Seit dem Bekanntwerden der Vorwürfe versichert er, keine Regeln verletzt zu haben. Der alarmierte Premier veröffentlichte am Montag die Namen aller Tory-Spender, die er in seiner Privatwohnung zu vier verschiedenen Anlässen empfangen hat. Die meisten dieser Gäste seien seine langjährigen Freunde gewesen, versicherte er. "Keines dieser Abendessen wurde durch Steuergelder finanziert, bei keinem wurden Gelder gesammelt. Und niemand in der Nummer Zehn hat irgendjemanden auf Empfehlung von Peter Cruddas getroffen", verteidigte sich Cameron, der eine parteiinterne Untersuchung der Affäre und eine baldige Lösung für das alte Parteispenden-Problem angekündigt hat.

(RP/felt/das)
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