Lukaschenko bittet zur Urne Weißrussen hatten bei Wahl keine Wahl

Moskau · Überschattet von Boykottaufrufen und Fälschungsvorwürfen der Opposition hat die autoritär regierte Ex-Sowjetrepublik Weißrussland ein neues Parlament gewählt. Staatschef Alexander Lukaschenko zeigte sich schon Stunden vor Schließung der Wahllokale siegessicher.

 Präsident Alexander Lukaschenko baut seinen Sohn Kolja (8) zum Nachfolger auf.

Präsident Alexander Lukaschenko baut seinen Sohn Kolja (8) zum Nachfolger auf.

Foto: afp, VIKTOR DRACHEV

Ein Orchester spielt festliche Musik. Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko ist mit seinem jüngsten Sohn Kolja (8) im Wahllokal erschienen. Auch diesmal lässt Lukaschenko den Jungen, der später die Macht von ihm erben soll, den Stimmzettel einwerfen.

Und für alle Kritiker der Parlamentswahl in seinem Land hat Europas letzter Diktator gleich ein paar Tipps parat. "Dies sind Wahlen für das weißrussische Volk, nicht für den Westen", sagt er. Die internationalen Beobachter sollten lernen, "die Wahlen so wie in Weißrussland zu organisieren — offen und ehrlich." Und die Oppositionsführer, die zum Boykott der Abstimmung aufgerufen haben, seien "Feiglinge, die dem Volk nichts anzubieten haben".

Stalinistische Methoden

Die frühere Sowjetrepublik ist das einzige Land auf dem Kontinent, das die Todesstrafe vollstreckt. Kritikern droht der Sowjetnostalgiker Lukaschenko mit stalinistischen Methoden. Auch deshalb steht der 58-Jährige mit der hohen Stirn und dem markanten Schnauzer auf einer Schwarzen Liste der EU und darf wie mehr als 200 seiner Staatsbediensteten nicht in den Westen reisen.

Umso engere Bande pflegt der Dauerherrscher dafür nach Russland. Mithilfe von billigem Gas und Öl aus dem "Bruderland" sichert sich der frühere Leiter einer Sowchose (Agrargroßbetrieb) die Sympathien der verarmten Landbevölkerung. In der Öffentlichkeit zeigt sich der Staatschef gern als fürsorglicher Vater mit seinem außerehelichen Sohn Nikolai, der Kolja genannt wird.

Oppositionelle vorsorglich in Haft

Etwa sieben Millionen Weißrussen waren am Sonntag aufgerufen, die 110 Mandate im Parlament von Minsk neu zu vergeben. Doch das Abgeordnetenhaus, in dem derzeit nur regierungstreue Mandatsträger sitzen, hat in der autoritär regierten Ex-Sowjetrepublik wenig zu sagen. Außerdem wurden zwei Oppositionsparteien zu der Wahl gar nicht zugelassen. Die anderen beiden haben kaum Chancen.

Bereits in der vergangenen Woche wurden ein Dutzend oppositioneller Aktivisten festgenommen und Infoblätter konfisziert. Lukaschenkos Gegner haben die Bevölkerung aufgefordert, am Wahltag lieber Pilze zu sammeln, Angeln zu gehen oder Schach zu spielen. Trotz des Boykottaufrufs verkündete die Zentrale Wahlkommission bereits um 15 Uhr, die Wahlbeteiligung habe 50 Prozent überschritten. Damit sei die Abstimmung gültig.

Perfide Tricks vor der Stimmabgabe

Westliche Wahlbeobachter haben seit 1995 keine Wahl in dem Land als frei und fair eingestuft. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatte diesmal 330 Beobachter entsandt. Der polnische Sejm-Abgeordnete Michal Szczerba kritisierte, Kandidaten der Opposition seien vielfach nicht zugelassen worden, auch sei die Opposition von den örtlichen Wahlkommissionen ausgeschlossen.

Szczerba erklärte, mit welchen Trick das Regime die Wahlbeteiligung in die Höhe schraubt: "Wir haben Informationen darüber, dass die Belegschaften ganzer Betriebe angewiesen wurden, für wen sie zu stimmen hätten."

Studenten seien von der Hochschulleitung massenweise gezwungen worden, ihre Stimme bereits vor der Frist abzugeben. Das oppositionelle weißrussische Nachrichtenportal "Charter 97" berichtete von einem Fall, wo den Beschäftigten einer Kolchose erst nach der Stimmabgabe der Lohn ausgezahlt worden ist.

Vor zwei Jahren ließ er Proteste niederknüppeln

Im ganzen postsowjetischen Raum ist es eine beliebte Methode der Wahlmanipulation, staatliche Angestellte, Soldaten und Studenten zur Stimmabgabe am Arbeitsplatz, in der Kaserne oder Universität zu nötigen. Aus Angst vor Repressalien stimmen diese Gruppen dann unter Aufsicht für das Regierungslager.

Lukaschenko führt Weißrussland seit 1994 mit harter Hand. Im Dezember 2010 ließ er sich als Präsident wiederwählen. Als an jenem Wahlabend in Minsk Zehntausende auf die Straße gingen, um gegen das Wahlergebnis zu protestieren, ließ Lukaschenko die Demonstration brutal niederknüppeln. Mehr als 600 Menschen wurden festgenommen. Viele von ihnen sitzen auch fast zwei Jahre nach dem Boykott noch immer in Haft.

Das amtliche Endergebnis wird für Montag erwartet.

(hei)
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