Streit um russische Raketen Ankara erbost über Rauswurf aus US-Rüstungsprogramm

Ankara · Weil die Türken russische Raketen kaufen, bekommen sie jetzt keine F-35-Kampfflugzeuge mehr aus den USA und dürfen auch nicht mehr an ihnen mitbauen – es sei denn, Donald Trump überlegt es sich noch anders.

Der Streit um die Stationierung russischer Luftabwehrraketen in der Türkei eskaliert. Das Weiße Haus gab am Mittwochabend den Ausschluss der Türkei aus dem Entwicklungs- und Produktionsprogramm des amerikanischen Kampfjets F-35 bekannt. Das Nato-Land kann die Flugzeuge, von denen es 100 Exemplare bestellt hat, nun auch nicht mehr kaufen.

Seit Monaten hatten die USA dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit Gegenmaßnahmen gedroht, wenn er an seinem umstrittenen Raketengeschäft festhalte. Nachdem vor einer Woche die Anlieferung der S-400-Luftabwehrsysteme in der Türkei begonnen hat, macht Washington jetzt ernst: Die Entscheidung zum Kauf der S-400 sei „unvereinbar mit einer weiteren Beteiligung am F-35-Programm“, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Stephanie Grisham. Die F-35 könne nicht neben einem russischen Spionageinstrument eingesetzt werden, das dazu genutzt werde, die Fähigkeiten der Flugzeuge auszutesten. Der Ausschluss der Türkei aus dem Programm, an dem acht staatliche und private türkische Rüstungsfirmen als Zulieferer von 937 Einzelteilen und Komponenten beteiligt sind, werde bis März 2020 „ordentlich abgewickelt“, kündigte die für Rüstungsprogramme zuständige Staatssekretärin Ellen Lord im Pentagon an.

Weitere Strafmaßnahmen könnten der Türkei jetzt nach einem US-Gesetz drohen, das Waffengeschäfte mit den Feinden des Landes ahndet. Eine Sprecherin des Außenministeriums in Washington sagte, Trump und Außenminister Mike Pompeo prüften derzeit verschiedene Möglichkeiten. Solche Sanktionen könnten vor allem die türkische Finanz- und Rüstungsbranche treffen. Das wäre ein schwerer Schlag für die kriselnde Wirtschaft.

Das Außenministerium in Ankara sprach in einer in der Nacht verbreiteten Erklärung von einem „schweren Fehler“ der USA, der den Beziehungen „irreparablen Schaden“ zufüge. Ankara forderte die USA auf, ihren „einseitigen und unfairen Schritt“ zurückzunehmen, der unbegründet sei und dem Geist der Nato nicht gerecht werde.

Der türkische Staatschef setzt offenbar immer noch auf eine Intervention von US-Präsident Donald Trump, um die Strafmaßnahmen abzuwehren. Trump hatte diese Woche Verständnis für die Entscheidung der Türkei geäußert, die russischen Raketen zu kaufen. Das Land sei dazu „gezwungen“ gewesen, weil die Regierung von Präsident Barack Obama die Lieferung amerikanischer Patriot-Raketen abgelehnt habe. So argumentiert auch Erdogan. Das Pentagon in Washington unterstrich dagegen, es habe mehrere Angebote an die Türkei gegeben, Patriots zu kaufen.

Nach einem Treffen mit Trump am Rande des G 20-Gipfels Anfang Juni hatte Erdogan berichtet, der amerikanische Präsident habe ihm versprochen, es werde keine Sanktionen geben. Trump steht aber unter großem Druck beider Parteien im Kongress, die harte Maßnahmen gegen die Türkei fordern.

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