Ex-Sowjetaußenminister Wegbereiter der Deutschen Einheit: Trauer um Schewardnadse

Tiflis · Er gilt als einer der Wegbereiter der Deutschen Einheit: Eduard Schewardnadse. Der nun gestorbene Politiker hatte aber nach dem Zerfall der Sowjetunion in seiner georgischen Heimat kein leichtes Schicksal.

 Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (rechts) und der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse 1988 im Auswärtigen Amt in Bonn.

Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (rechts) und der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse 1988 im Auswärtigen Amt in Bonn.

Foto: dpa, mk vfd

Tiflis/Moskau (dpa) - Den Deutschen bleibt Eduard Schewardnadse als einer der Wegbereiter der Wiedervereinigung unvergessen. Der Georgier habe als letzter sowjetischer Außenminister eine große Rolle bei der Deutschen Einheit gespielt, würdigt der Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow seinen am Montag in Tiflis nach langer schwerer Krankheit gestorbenen Freund und Wegbegleiter. Schewardnadse vertrat in den 1980ern die damals revolutionäre Politik von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung), die letztlich auch zum Ende des Kalten Krieges und zum Mauerfall führte.

Trotz geschwächter Gesundheit meldete sich der von Sicherheitskräften in seiner Residenz bewachte Politiker in der georgischen Hauptstadt immer wieder zu politischen Geschehnissen zu Wort. 2012 sagte er bei einem Treffen mit der Deutschen Presse-Agentur auch ein Ende des Regimes von Präsident Michail Saakaschwili voraus. Bei allem Verständnis für den Kurs der in die EU und in die Nato strebenden Ex-Sowjetrepublik pochte er stets auf ein gutes Verhältnis zum großen Nachbarn Russland.

Gleichwohl fristete er weitgehend zurückgezogen das Dasein eines politischen Verlierers. Als Präsident der Kaukasusrepublik musste er in der Rosenrevolution 2003 wegen seines korrupten Regimes aus Familienclans zurücktreten - und seinem politischen Ziehsohn Saakaschwili des Feld überlassen. In seiner hoch ummauerten Villa in den Hügeln der Hauptstadt Tiflis erlebte der "kaukasische Fuchs" dann später auch den Fall des wegen seines Führungsstils umstrittenen Saakaschwili.

Der studierte Historiker - 1928 in Mamati nahe der Schwarzmeer-Küste geboren - machte bereits zu Zeiten seines Landsmanns Josef Stalin, des Sowjetdiktators, von 1948 an Karriere in der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU). Kremlchef Gorbatschow holte ihn dann 1985 nach Moskau, wo er an der Seite des Vaters von Glasnost und Perestroika nach vier Jahrzehnten des Kalten Kriegs mit für politisches Tauwetter sorgen sollte.

Die für Deutschland wichtigste Arbeit leistete Schewardnadse als Vertreter der Sowjetunion bei den Zwei-plus-Vier-Gesprächen. Gegen den Widerstand vieler Kommunisten und Armeegeneräle in Moskau war der Politiker einer der Wegbereiter der deutschen Wiedervereinigung.
Darin erinnert er auch in seiner Biografie "Als der Eiserne Vorhang zerriss" (Verlag Metzler, 2007). Viele russische Nationalisten sehen in dem Georgier - wie in Gorbatschow - noch heute einen Totengräber des Sowjetimperiums.

Für Schewardnadse bedeutete der Zerfall der Sowjetunion und des Ostblocks 1991 eine Rückkehr in seine Heimat - an die Staatsspitze in Tiflis. Im damals gerade unabhängig gewordenen Georgien herrschten Chaos, Armut und Bürgerkrieg. Schewardnadse gelang es zwar, das Land zu befrieden und 1995 die ersten Mehrparteien-Parlamentswahlen abzuhalten. Auch Teile einer unter ihm angenommenen Verfassung sind heute noch in Kraft. Doch die schweren sozialen und wirtschaftlichen Probleme und die Korruption bekam er nicht in den Griff.

Schewardnadse scheiterte damit, die Kaukasusrepublik zu stabilisieren und auf Reformkurs zu bringen. Drei Attentate überlebte er in den elf Jahren seiner Präsidentschaft. Dreimal bestätigten die Georgier ihn im Amt. Jedes Mal stand der Vorwurf der Wahlfälschung im Raum. Auch die Konflikte um die abtrünnigen und von Russland heute als unabhängige Staaten anerkannten Teilrepubliken Abchasien und Südossetien vermochte der erfahrene Staatsmann nicht zu lösen.

Schewardnadse durfte auch nach dem erzwungenen Rücktritt seine Privilegien einer Residenz mit Leibwächtern behalten. Die Wände seines Arbeitszimmers hängen voller Erinnerungen, Fotos mit Staatsmännern wie Nelson Mandela, Ronald Reagan und Hans-Dietrich Genscher. Privat waren dem Georgier nach dem Tod seiner Frau Nanuli 2004 zuletzt vor allem seine Kinder und Enkelkinder eine Stütze.

(dpa)
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