EU-Außenminister ignorieren Warnungen Weg für Terrorfahndung mit Bankdaten frei

Brüssel/Berlin (RPO). Ungeachtet der Warnungen von Datenschützern will die Europäische Union US-Terrorfahndern auch weiterhin den Zugriff auf Bankdaten europäischer Bürger ermöglichen. Die EU-Außenminister beschlossen in Brüssel ein Verhandlungsmandat für ein Abkommen mit Washington. Der Bundesdatenschutz-Beauftragte Peter Schaar nannte die Pläne "starken Tobak". Auch Politiker fürchten einen Missbrauch der Daten.

Wie die Bankdaten-Weitergabe funktioniert
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Foto: dpa/gms

Nach dem Beschluss der EU-Außenminister, der ohne jede Diskussion fiel, sollen die EU-Kommission und die schwedische Ratspräsidentschaft das Abkommen mit den USA bis nach der Sommerpause aushandeln. Danach können US-Terrorfahnder bei EU-Überweisungen den Namen des Bankkunden ausspähen sowie seine Adresse, den Empfänger und die Summe. Die EU verspricht sich davon auch Erkenntnisse zur Verhinderung von Anschlägen in Europa.

Bundesdatenschützer Schaar kritisierte im Deutschlandfunk, dass auch völlig unverdächtige Bürger im Visier der US-Fahnder stünden: "Es werden ja nicht nur Daten von Terrorverdächtigen erhoben und herausgegeben, sondern auch Daten, die in irgendeinem Zusammenhang stehen könnten mit einem Terrorverdacht", sagte Schaar.

Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef im Bundestag, Wolfgang Bosbach, forderte in der "Frankfurter Rundschau" vom Montag, die Daten unbescholtener Personen müssten umgehend gelöscht werden. Das Verhandlungsmandat sieht dagegen eine Datenspeicherung von maximal fünf Jahren vor.

Die Bundesregierung verteidigte die Pläne gegen Kritik. Europa-Staatssekretär Günter Gloser (SPD) sagte in Brüssel, Deutschland habe in dem Verhandlungsmandat strenge Datenschutz-Auflagen für das Abkommen mit den USA durchgesetzt. Dabei gehe es auch um Rechtsschutzmöglichkeiten für einzelne Bürger, sagte Gloser, der Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vertrat. Steinmeiers Sprecher Jens Plötner sagte in Berlin: "Wir werden kein Abkommen akzeptieren, das diesen Kriterien nicht genügt."

Ein Klagerecht für betroffene Bürger, wie es Berlin fordert, ist aus Sicht von Datenschützern allerdings illusorisch. Denn Bürger erfahren nichts von dem Zugriff auf ihre Daten und können sich daher auch nicht gegen Missbrauch wehren.

Konkret geht es um Millionen von Bankdaten, die der belgische Finanzdienstleister SWIFT verwaltet. SWIFT wickelt täglich rund 15 Millionen Transaktionen zwischen mehr als 8300 Banken weltweit ab, darunter auch grenzüberschreitende Überweisungen in der EU. Die USA nutzen die Daten bereits seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001, was aber erst 2006 bekannt wurde. Das neue Abkommen wird nötig, da die europäischen Daten erstmals auf einem Server auf EU-Territorium gespeichert werden und nicht mehr in den USA.

Der für Justizfragen zuständige EU-Kommissar Jacques Barrot betonte, es gehe nicht um einen "Blankoscheck" für US-Terrorfahnder. Um Bedenken aus dem Europaparlament entgegenzukommen, plant Barrot zunächst nur ein Übergangsabkommen mit zwölfmonatiger Laufzeit. Sobald der EU-Reformvertrag von Lissabon in Kraft ist, der dem Parlament ein Mitspracherecht bei Terrorismus-Fragen einräumt, soll ein längerfristiges Abkommen ausgehandelt werden. Das dürfte frühestens Anfang 2010 der Fall sein. Die Grünen-Vorsitzenden im Europaparlament, Rebecca Harms und Daniel Cohn-Bendit nannten es "ungeheuerlich", dass die EU die Entscheidung zunächst am Europaparlament vorbei treffen wolle.

(AFP/asl)
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