Shutdown in den USA Der Ranger kommt heute nicht

Washington · Nationalparks ohne Personal, Farmer ohne Geld, Hochzeitspaare ohne Dokumente: Der Stillstand der Verwaltung in den USA betrifft den Alltag von Millionen Menschen.

  Ein geschlossenes Tor des Joshua-Tree-Nationalparks in Kalifornien. Normalerweise kommen hier Besucher aufs Parkgelände – aber nicht während des Shutdown.   Foto: AFP

Ein geschlossenes Tor des Joshua-Tree-Nationalparks in Kalifornien. Normalerweise kommen hier Besucher aufs Parkgelände – aber nicht während des Shutdown. Foto: AFP

Foto: AFP/MARIO TAMA

Eigentlich wäre es nur eine Formalie gewesen. Claire O‘Rourke und Sam Bockenhauer wollten heiraten, und dazu brauchten sie vom Marriage Bureau, der für Eheschließungen zuständigen Behörde der Stadt Washington, einen amtlichen Schein. So eine Ehe-Urkunde kann man online beantragen, reine Formsache. Als O‘Rourke sie erledigen wollte, folgte indes ein böses Erwachen: Wegen des Verwaltungsstillstands sei das Büro für Hochzeiten leider geschlossen.

Da die Hauptstadt als Regierungsbezirk direkt dem Bund unterstellt ist, ist auch ihr Marriage Bureau vom Shutdown betroffen. Nun hoffen O‘Rourke und Bockenhauer, dass sich die Blockade bis Freitag aufgelöst hat. Am Samstag wollen sie feiern, mit 140 geladenen Gästen. Falls es bis dahin nichts wird mit der Urkunde, ist die Hochzeit streng genommen nicht rechtens.

Ein Viertel des Regierungsapparats bleibt geschlossen. Rund 800.000 Angestellte der amerikanischen Bundesregierung dürfen derzeit nicht arbeiten, weil sich das Parlament nicht darauf einigen kann, durch ein kurzfristiges Haushaltsgesetz Geld für ihre Bezahlung zu bewilligen. Falls Demokraten und Republikaner bis Freitag keinen Kompromiss schließen, wäre der Shutdown-Rekord eingestellt – jene drei Wochen, in denen das Staatswesen 1995/96 gelähmt war. Schon jetzt wird täglich deutlicher, was der Streit im Alltag für Folgen hat.

Die Steuerbehörde mit ihren Bundesfinanzämtern arbeitet nur noch mit gut einem Zehntel ihrer Belegschaft: Sie nimmt zwar Zahlungen entgegen, weist aber keine Rückerstattungen an. In den Nationalparks quellen die Papierkörbe über, während das Unfallrisiko steigt. Im Unterschied zu früheren Shutdowns hat Trumps Kabinett entschieden, die Parks diesmal nicht zu schließen. Allerdings wurden 16.000 der 19.000 Bediensteten nach Hause geschickt, so dass es an Personal fehlt, das nicht nur Naturwunder erklären, sondern auch auf potenzielle Gefahren hinweisen kann. Im kalifornischen Yosemite-Nationalpark, immerhin sechsmal so groß wie Andorra, ist gerade mal ein halbes Dutzend Ranger im Dienst. Hier und da werden Straßen gesperrt, weil man die Sicherheit der Besucher nicht mehr garantieren kann.

Bruce Rohwer, ein Farmer, der auf den fruchtbaren Böden von Iowa Mais und Sojabohnen anbaut, hat theoretisch einen Anspruch auf Entschädigungszahlungen, seit die USA und China im Handelspoker Zollschranken aufstellen. Verluste, die er erleidet, da ihm der für Sojaexporte so wichtige chinesische Markt weggebrochen ist, wird ihm „Uncle Sam“ weitgehend ersetzen – was Präsident Donald Trump übrigens schon deshalb herausstreicht, weil er die Farmer als Verbündete braucht. Nur kann das Landwirtschaftsministerium Rohwers Antrag nicht bearbeiten, da am 22. Dezember dort die Lichter ausgegangen sind. Wann der Bauer das Geld bekommt, steht in den Sternen.

Trump hatte den Shutdown provoziert, indem er auf dem Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko beharrte, nachdem sich im Kongress bereits eine Verständigung abgezeichnet hatte. Der Präsident ließ den Deal platzen, er bekam kalte Füße, nachdem konservative Publizisten ihn als Weichei kritisiert hatten. Auch um ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen, rüstete er rhetorisch auf. Es gipfelte, am vergangenen Freitag, in dem Satz, er werde die Regierung für Monate oder gar Jahre dichtmachen, sollten ihm die Demokraten beim Mauerbau nicht entgegenkommen.

Nun folgt, für den Moment jedenfalls, eine Phase verbalen Abrüstens. Am Montag sprach Trump statt von einer Mauer von einer Stahlbarriere, die es an der Südgrenze auszubauen gelte. Stahl, twitterte er, sei ohnehin robuster und weniger aufdringlich als Beton. Auf ungefähr einem Drittel der 3144 Kilometer langen Grenze zwischen San Diego am Pazifik und Brownsville am Golf von Mexiko gibt es schon heute Hindernisse aus Metall, mal Wellblechteile, mal Stangen, die man dicht an dicht nebeneinandergestellt hat. Trump will sie um rund 380 Kilometer verlängern, wofür er vom Kongress 5,7 Milliarden Dollar verlangt, umgerechnet knapp fünf Milliarden Euro.

Ob die semantischen Korrekturen ernsthaften Gesprächswillen signalisieren oder aber nur Teil eines raffinierten Manövers sind, um der Opposition die Schuld für die Lähmung des Verwaltungsbetriebs in die Schuhe zu schieben, wird sich in den nächsten Tagen erweisen. Klar ist allerdings, dass der Druck auf Trump wächst, da nun auch republikanische Senatoren nach Tagen schweigsamer Zurückhaltung ein Ende der Kraftprobe fordern.

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