Hintergrund Was bleibt vom Minsker Friedensplan im Ukraine-Konflikt

Berlin/Kiew · Seit April 2014 kämpfen im Osten der Ukraine Soldaten der Regierung gegen von Russland unterstützte Separatisten. In Minsk (Belarus) wurde kurz danach ein erster Waffenstillstand mit einem Friedensplan für die Region um die Städte Luhansk und Donezk unterzeichnet. Die Hintergründe zum Abkommen.

 Der damalige Präsident Frankreichs, Francois Hollande (l), der damalige ukrainische Präsident Petro Poroshenko und Angela Merkel am 11. Februar 2015 bei den Minsker Verhandlungen.

Der damalige Präsident Frankreichs, Francois Hollande (l), der damalige ukrainische Präsident Petro Poroshenko und Angela Merkel am 11. Februar 2015 bei den Minsker Verhandlungen.

Foto: dpa/Mykola Lazarenko

Die Vereinbarung sollte die Lage eigentlich beruhigen - die russische Anerkennung der „Volksrepubliken“ lässt nun kaum noch Spielraum, das zu realisieren.

Verhandlungen unter deutsch-französischer Vermittlung

Nach dem Wiederaufflammen der Kämpfe im Januar und Februar 2015 und weiteren Gebietsverlusten der ukrainischen Truppen um den Verkehrsknotenpunkt Debalzewe wurde dieser Plan von 12 auf 13 Punkte erweitert und konkretisiert. Bei den stundenlangen Verhandlungen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinem ukrainischen Kollegen Petro Poroschenko vermittelten damals Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande. Russland betont noch heute, bei den Verhandlungen Vermittler und keine Vertragspartei zu sein.

Verstöße gegen das Abkommen

Im Zuge des Friedensplans wurden mehrfach Hunderte Gefangene ausgetauscht. Doch täglich stellen Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Verstöße auf beiden Seiten fest. Nur in Teilen umgesetzt ist etwa der vereinbarte Abzug schwerer Waffen von der Frontlinie. Darüber hinaus setzen beide Seiten trotz Flugverbots Aufklärungsdrohnen ein. Was nach dem offiziellen Einmarsch russischer Truppen in die Region passiert, ist nicht absehbar.

Entgegen den Vereinbarungen ist zudem die komplette Wiederherstellung der sozioökonomischen Beziehungen einschließlich der Zahlung von Renten nicht erfolgt. Seit 2017 unterliegen die abtrünnigen Gebiete einer kompletten Wirtschaftsblockade durch Kiew, von der nur humanitäre Hilfsgüter ausgenommen sind. Auch die für die abtrünnige ostukrainische Region vorgesehene Autonomie wurde bislang nicht verwirklicht und nicht in die ukrainische Verfassung aufgenommen. Nach der russischen Anerkennung als selbstständige Staaten dürfte es da kaum Fortschritte geben. Die Autonomie sähe für die abtrünnigen Gebiete im Donbass etwa eine eigene Polizei und Gerichtsbarkeit sowie sprachliche Selbstbestimmung und eine Amnestie für die Separatistenkämpfer vor.

Ein Streitpunkt: Erst die Grenze oder erst die Wahlen?

Kiew besteht darauf, dass es die Kontrolle über den an die Separatisten verloren gegangenen etwa 400 Kilometer langen Grenzabschnitt zu Russland erhält - und zwar bevor im Donbass Wahlen abgehalten werden. Der Friedensplan sieht aber eigentlich erst Wahlen und danach eine schrittweise Rückgabe der Kontrolle über den Grenzabschnitt vor.
Eine Kiewer Bedingung für Wahlen ist auch der vorherige komplette Abzug aller ausländischen Kämpfer, die die Separatisten unterstützen, sowie die Entwaffnung der Aufständischen. Mit der offiziellen Präsenz russischer Truppen in den Separatistengebieten ist auch dieser Punkt kaum noch umsetzbar.

Paris 2019: Weitere Vereinbarungen - und weitere Probleme

Im Dezember 2019 wurden in Paris über den Friedensplan von 2015 hinausgehende Vereinbarungen ausgehandelt. Beschlossen wurde etwa, mit der schrittweisen militärischen Entflechtung entlang der Front fortzufahren. Das aber passiert nur langsam bis gar nicht. Beide Seiten lasten sich gegenseitig das bisherige Scheitern der Eröffnung von zwei neuen Übergangspunkten zwischen Regierungsgebiet und Separatistenregion an.

Auch die so genannte Steinmeier-Formel ist noch immer nicht in das ukrainische Gesetz aufgenommen worden: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte in seiner Zeit als Außenminister vorgeschlagen, dass der Sonderstatus des Donbass bereits ab dem Tag von Kommunalwahlen in der Region gelten solle.
Die russische Anerkennung der Unabhängigkeit der Separatistengebiete wird von westlichen Staaten als Ende des Minsker Prozesses gewertet. Kremlsprecher Dmitri Peskow bezeichnete Minsk als nicht aktuell, wollte aber nicht das komplette Ende verkünden. Auch Präsident Wolodymyr Selenskyj zögerte zunächst noch, den Friedensplan für komplett gescheitert zu erklären.

(felt/dpa)
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