Regierungskrise in London Warum Theresa May ihren Verteidigungsminister entlassen musste

London · Wegen eines pikanten Vorfalls muss die britische Premierministerin May ihr Kabinett schon wieder umbilden und einen neuen Verteidigungsminister ernennen. Die Vorwürfe an den bisherigen Ressortchef Gavin Williamson haben es in sich.

Die Regierungskrise im Vereinigten Königreich geht weiter, und diesmal ist ausnahmsweise nicht der Brexit schuld. Premierministerin Theresa May hat in den vergangenen anderthalb Jahren elf Minister verloren. Jetzt musste sie ihr Kabinett erneut umbilden, nachdem sie am Mittwochabend ihren Verteidigungsminister Gavin Williamson entlassen hatte. Dessen Posten übernimmt Penny Mordaunt, die erste Frau in diesem Job.

Williamson wird beschuldigt, Informationen aus einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates an eine Zeitung durchgestochen zu haben. Der „Daily Telegraph“ hatte berichtet, dass die britische Regierung gewillt sei, den chinesischen Konzern Huawei mit dem Ausbau des 5G-Funknetzes zu beauftragen. Das hatte prompt zu Verstimmungen mit den Vereinigten Staaten geführt, die in einer Huawei-Beteiligung ein Sicherheitsrisiko sehen.

May warf Williamson vor, sich bei der Untersuchung des Informationslecks unkooperativ verhalten zu haben. Es gebe zudem, erklärte sie, „zwingende Beweise“ für seine gezielte Indiskretion. Williamson dagegen streitet alles ab und ging mit einer Reihe von Interviews in die Offensive. Dem Nachrichtensender Sky News sagte er, es habe sich „von Anfang an um eine Hexenjagd“ gehandelt. Gegenüber der „Daily Mail“ schwor er „auf das Leben meiner Kinder, dass ich unschuldig bin“. Und im Massenblatt „Sun“ erklärte Williamson: „Die Premierministerin versucht, stark auszusehen. Weil sie das beim Brexit und der innenpolitischen Agenda nicht kann, tut sie jetzt so etwas.“

Die Geschichte dürfte nicht so schnell aus den Schlagzeilen verschwinden. May hat sich jetzt einen Erzfeind gemacht, der ihr von den Hinterbänken aus das Leben schwer machen wird. Downing Street hält die Angelegenheit für erledigt, will keine Details nennen und Genaueres über die „zwingenden Beweise“ verraten. Doch die Opposition verlangt eine polizeiliche Untersuchung der Angelegenheit. Die Regierung erklärte darauf, die Polizei nicht einschalten zu wollen.

Gezielte Indiskretionen waren in den vergangenen Monaten an der Tagesordnung. Der Streit um den Brexit und der Kampf um die Nachfolge von May haben die Kabinettsdisziplin mehr oder weniger zusammenbrechen lassen. Aber ein Informationsleck aus dem Nationalen Sicherheitsrat ist von anderem Kaliber. Seine Sitzungen sind sakrosankt, denn die Chefs der Geheimdienste, die dort berichten, müssen auf absolute Vertraulichkeit bauen können. Daher sah sich May gezwungen, hart durchzugreifen und ihren ehemaligen Vertrauten zu entlassen. Zumal Williamson die Indiskretion zur eigenen Profilierung nutzte: Während May sich für eine Huawei-Beteiligung aus­spricht, sieht Williamson sich als Falke gegenüber China und will damit im Nachfolgekampf rechte Parteifreunde beeindrucken.

Mit seiner Nachfolgerin Penelope „Penny“ Mordaunt kommt eine stramme Euroskeptikerin ins Kabinett. Im Unterschied zu Williamson gilt die bisherige Staatssekretärin für internationale Entwicklung als fachlich qualifiziert, da sie Marinereservistin ist. Ihr Vater benannte sie nach einem britischen Kriegsschiff.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort