Polizei und Drogenbanden kooperieren Warum mussten die 43 Studenten in Mexiko sterben?

Mexiko-Stadt · Sie wollten Bildung in die entlegensten Winkel ihrer bitterarmen Heimat bringen. Doch wahrscheinlich starben sie in einer einsamen Schlucht in Mexiko. Festgenommene Bandenmitglieder enthüllen nun den Ablauf des grausamen Verbrechens.

Nach Studenten-Mord-Geständnis - Gewalt und Proteste in Mexiko-Stadt
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Foto: dpa, jn mag uw

Der Scheiterhaufen soll 14 Stunden lang gelodert haben. Als die Täter am Tag nach dem Massaker zurückkommen, sind nur noch Asche und Zähne da. Die Männer verpacken die sterblichen Überreste von Dutzenden verschleppten Studenten in Plastiktüten und werfen sie in den nahen Fluss. Was von den jungen Mexikanern übrig bleibt, ist für ihre Henker anscheinend nicht mehr als ein unangenehmes Entsorgungsproblem.

Ohne erkennbare Gefühlsregung schildern die Verdächtigen im Verhör die grausame Tat. Die drei Mitglieder der kriminellen Organisation "Guerreros Unidos" räumen den Mord an 43 Studenten ein. Ob sie die Wahrheit sagen und ob es sich bei den Funden tatsächlich um die Reste der jungen Leute handelt, ist allerdings noch unklar.

Grausamer Massen-Mord

Stimmen ihre Schilderungen, müssen die letzten Stunden der Studenten schrecklich gewesen sein. Wie Vieh schafften gekaufte Polizisten die 43 in Lastwagen zu der Müllkippe. Dort wartete schon das Killer-Kommando. Kaltblütig erschossen sie einen nach dem anderen, dann schichteten sie Holz und Reifen auf, übergossen die Leichen mit Benzin und zündeten sie an.

"Einige waren schon tot, als sie hierher gebracht wurden", sagt einer der Verdächtigen im Verhör, das die Generalstaatsanwaltschaft nun veröffentlichte. "Die noch lebten, haben wir erschossen. Dann haben wir die Leichen an Händen und Füßen gepackt und in eine Schlucht geworfen."

Die linksgerichteten Studenten des Lehrerseminars Ayotzinapa sind offenbar einer Verschwörung von Lokalpolitikern, Polizisten und Verbrechern zum Opfer gefallen. Am 26. September waren sie nach Iguala im Bundesstaat Guerrero gekommen, um Spenden zu sammeln. Bürgermeister José Luis Abarca befürchtete aber wohl, dass sie eine Rede seiner Frau stören könnten - und befahl der Polizei, die jungen Leute zu vertreiben.

Polizei und Drogenbanden kooperieren

Die Beamten stoppten die Busse und erschossen sechs Menschen. 43 Studenten nahmen sie fest und übergaben sie den "Guerreros Unidos", die in der Region nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft mit den Sicherheitskräften gemeinsame Sache machen. Dann kam es offenbar zu einer folgenschweren Verwechslung: Die Verbrecher sollen die jungen Leute für Angehörige der verfeindeten Gang "Los Rojos" gehalten haben.

Beide Gruppen sind aus dem Drogenkartell Beltrán Leyva hervorgegangen und ringen in der Region um die Kontrolle des lukrativen Opium-Handels. "Guerreros"-Chef Sidronio Casarrubias Salgado wollte ein Zeichen setzen und gab seinen Männern den Befehl, "das Territorium zu verteidigen".

Mexiko steht unter Schock. In den vergangenen Wochen gingen in verschiedenen Städten des Landes Zehntausende aus Solidarität mit den Studenten auf die Straße. Als Lehrer wollten die jungen Indios Bildung in die verarmte Tierra Caliente im Norden des Bundesstaats Guerrero bringen und wurden schließlich Opfer jener Korruption, die das Land so fest im Griff hat. Ein Schlachtruf der Bewegung lautet:
"Warum tötet ihr uns, wenn wir doch die Zukunft sind?"

Proteste in Mexiko-Stadt

Aus Solidarität mit den Opfern marschieren 43 Vertreter sozialer Organisationen - einer für jeden Studenten - von Guerrero nach Mexiko-Stadt. Am Sonntag wollten sie die Hauptstadt erreichen. "Mexiko trägt Trauer und ist so empört wie noch nie", sagt der Sprecher der Bewegung 43x43, José Alcaraz García.

Es gibt sie fast überall in Mexiko, doch selten trat die unheilige Allianz zwischen staatlichen Behörden und der organisierten Kriminalität so offensichtlich zutage wie in Iguala. Im ganzen Land gelten mehr als 20 000 Menschen als vermisst.

In Ayotzinapa herrscht Wut, Trauer und Enttäuschung. Die Angehörigen der Studenten fühlen sich alleingelassen. Den Ermittlungsergebnissen trauen sie nicht. "Solange es keine Beweise gibt, sind unsere Kinder für uns noch am Leben", sagt ein Sprecher der Familien.

(dpa)
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