Bodenschätze in Lateinamerika Warum in Rio mit Erdöl kein Geld zu machen ist

Rio de Janeiro · Einst löste die Entdeckung von Ölvorkommen in mehreren südamerikanischen Ländern Euphorie aus. Doch inzwischen ist die Hoffnung auf einen Wirtschaftsboom großer Skepsis gewichen. Die Proteste mehren sich und erinnern an die deutsche Anti-Atom-Bewegung der 1980er Jahre.

Aus diesen Ländern bekommen wir Öl
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Foto: AP

Plötzlich war es vorbei mit der Urlaubsstimmung: Vor einem Hotel in Rio de Janeiro protestierten Hunderte gegen die Versteigerung der Lizenzen des riesigen Offshore-Ölfelds "Campo de Libra". Die Situation geriet außer Kontrolle, Demonstranten und Sicherheitskräfte lieferten sich eine Straßenschlacht. Es ist ein Vorgeschmack auf das, was auf Brasilien zukommen könnte, wo sich eine wachsende Umweltbewegung vehement gegen Förderprojekte wehrt.

Vor ein paar Jahren noch galt "Campo de Libra" als das Symbol für die Hoffnung auf das brasilianische Wirtschaftswunder, auf eine bessere Zukunft und vor allem auf sehr viel Geld. Das Feld ist lukrativ. Experten rechneten aus, dass die Produktion auf 1,4 Millionen Fass Öl pro Tag hochgefahren werden kann. Doch das schwarze Gold lagert in rund 6000 Metern Tiefe vor der Küste Rios. Das Umwelt-Risiko ist enorm, sollte wie vor ein paar Jahren im Golf von Mexiko eine Plattform komplett verloren gehen, wären die Umweltschäden nicht nur verheerend, sie wären wohl auch kaum in den Griff zu bekommen.

Doppeltes Spiel in Ecuador

Der Golf von Mexiko ein Jahr nach der Ölkatastrohe
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Der Golf von Mexiko ein Jahr nach der Ölkatastrohe

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Auch in Ecuador gibt es große Sorge vor möglichen Umweltschäden. Doch hier vollzog Präsident Rafael Correa trotzdem eine radikale Kehrtwende. Jahrelang präsentierte sich der sozialistische Präsident als Vorreiter einer Wende in der Energiepolitik. Correa hatte vorgeschlagen, auf eine Erdölförderung im artenreichen Nationalpark Yasuni zu verzichten, wenn die Weltgemeinschaft im Gegenzug in einen Klimaschutzfonds einzahlte.

Die Resonanz auf den Vorschlag blieb allerdings bescheiden. Einerseits fehlte der Weltgemeinschaft angesichts der Finanzkrise das Geld für die grüne Utopie, andererseits spielte Correa mit dem Rest der Welt ohnehin ein doppeltes Spiel. Das rohstoffhungrige China hatte sich längst einen großen Teil der Yasuni-Ölvorkommen gesichert.

Vor allem die Eingeborenen sehen sich getäuscht

Nachdem sich Correa bei internationalen Besuchen jahrelang als Umwelt-Revolutionär feiern ließ, kam vor ein paar Wochen das Ende seine Initative und das grüne Licht für die Ausbeutung des Öls. "Die Welt hat uns um Stich gelassen", schob Correa den Schwarzen Peter weiter. Nun fühlen sich vor allem die indigenen Völker Ecuadors massiv getäuscht.

"Wir wollen nicht, dass das Erdöl im Yasuni-Park abgebaut wird, sondern, dass dieses heilige Land ohne Kontamination weiterleben kann", sagte Patricia Gualinga vom indigenen Volk der Sarayaku. Die Stimmung im Land ist angespannt, auch weil Correa mit harter Hand gegen Umweltaktivisten und Kritiker vorgeht. Sie berichten von regelrechten Hetzkampagnen gegen Naturschutzverbände, die sich für eine alternative Nutzung des Regenwaldes einsetzen.

Indios besetzten kurzerhand eine Bohranlage

In Argentinien hat sich die katholische Kirche auf die Seite der Widerständler gesetzt. In einem offenen Brief mit dem vielsagenden Titel "Schweigen ist Komplizenschaft" kritisierte Bischof Virginio Domingo Bressanelli aus der rohstoffreichen argentinischen Diözese Neuquen die Parlamentierer scharf, die einer Kooperationsvereinbarung mit dem Ölmulti Chevron zugestimmt hatten. Das kriselnde Argentinien hofft auf einen dringend notwendigen wirtschaftlichen Impuls durch eine eigene Erdöl- und Erdgasproduktion.

Die Mapuche-Indios reagierten auf ihre Art und besetzten kurzerhand eine Bohranlage. Ihr Sprecher Albino Campo kündigte bereits erbitterten Widerstand an: "Wir haben die Bohrstellen besetzt, weil wir dem Gouverneur zeigen wollen, dass wir nicht damit einverstanden sind, dass unser Land und unser Leben vergiftet werden. Solange die Arbeiten nicht von unserer Kommune überwacht werden, werden wir keine weiteren Aktivitäten zulassen."

Die Heftigkeit der Proteste in Neuquen, in Quito und in Rio de Janeiro erinnert an die Geburtsstunde der Anti-Atom-Kraftbewegung in den 1980er Jahren in Europa. Genährt werden sie durch die schlimmen Erfahrungen der Vergangenheit mit ausländischen aber auch einheimischen Ölkonzernen und der Korruption in der Politik.

(RP)
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