Sieg der AKP Warum die Türken Erdogan wählen

Istanbul (RPO). Der überwältigende Sieg der AK-Partei von Premierminister Recep Tayyip Erdogan kam selbst für politisch Eingeweihte überraschend. Er wurzelt zum einen in der Bodenständigkeit der AKP, zum anderen in den Reformerfolgen.

Jubel über AKP-Sieg
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Foto: AP

Kurz nach neun am Sonntagabend platzt Ismet Berkan der Kragen. Berkan, einer der prominentesten Journalisten der Türkei, wird in einer Talk-Runde im Fernsehen mit der Ansicht konfrontiert, dass Millionen Türken nur wegen ihrer geringen Bildung bei der Parlamentswahl die AK-Partei von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan gewählt haben: mehr als 47 Prozent für Erdogan, aber nur 20 Prozent für die Partei CHP, die sich selbst als Vertreterin des Laizismus sieht. Wenn sie glaube, dass die Leute einfach nicht gebildet genug für sie seien, dann müsse sich die CHP eben ein anderes Volk suchen, sagt Berkan.

Dass die AK-Partei die Wahl gewinnen würde, war den Umfragen zufolge klar. Dass sie ihre Gegner so degradieren würde, hatte aber niemand erwartet. Seit einem halben Jahrhundert hat keine Partei mehr so die politische Landschaft der Türkei dominiert wie die AK-Partei das heute tut. Wenn die Wahl eine Richtungsentscheidung war, bei der es um die Frage ging, ob die Türken eher dem fromm-konservativen Erdogan vertrauen oder der kemalistischen CHP, die unablässig von der angeblichen islamistischen Gefahr durch Erdogan warnte, dann haben die Wähler eine eindeutige Antwort gegeben: Ihr Vertrauen gehört Erdogan.

"Weiter so, kein Stillstand", sei jetzt die Devise, sagte Erdogans Fraktionsvize Salih Kapusuz, der sich am frühen Abend vor dem neuen Hauptquartier der AK-Partei in Ankara vor den Kameras äußerte. Erdogan hat eine Fortsetzung der demokratischen, europapolitischen und wirtschaftspolitischen Reformen angekündigt. Nach einem Reform-Kalender seiner Regierung soll die Türkei im Jahr 2013 EU-fähig sein. Europäische Diplomaten in der Türkei trauen der Erdogan-Partei wesentlich mehr EU-Engagement zu als den anderen türkischen Parteien.

Einer der Hauptgründe für Erdogans Triumph liegt in der Tatsache, dass er die Infrastruktur der AK-Partei in den vergangenen Jahren systematisch auf das ganze Land ausgeweitet hat - in Sachen Organisation kann keine Partei mit der Erdogans mithalten. Zudem trifft der 53-jährige Erdogan bei den Durchschnitts-Türken einen Nerv: Er kommt aus kleinen Verhältnissen wie die meisten, ist ein frommer Moslem wie die meisten, und er vermittelt den Menschen den Eindruck, dass er vor allem anderen daran interessiert ist, den Wohlstand der breiten Bevölkerung zu mehren. Viele Türken sagten vor der Wahl, dass sie mehr Geld in der Tasche hätten als bei Regierungsantritt der AK-Partei Ende 2002 - ein fast unschlagbares Argument im Wahlkampf.

Mit seinen künftig mehr als 340 der 550 Abgeordneten im Parlament von Ankara kann Erdogan nun daran gehen, die Zukunft des Landes zu gestalten. Eine der ersten Aufgaben des neuen Parlamentes wird die Wahl eines neuen Staatspräsidenten sein. Genau an dieser Herausforderung war das alte Parlament im Mai gescheitert. Erdogan hatte seinen Parteifreund, Außenminister Abdullah Gül, durchsetzen wollen.

Diesmal hat Erdogan mehr Kompromissbereitschaft versprochen. Ob er sich im Licht seines Triumphes vom Sonntag in den kommenden Wochen an dieses Versprechen erinnern wird, ist allerdings noch nicht sicher.

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