Standards für "gesunden demokratischen" Prozess missachtet Wahlsieg Putins laut OSZE undemokratisch

Moskau (rpo). Deutliche Kritik am Wahlsieg von Wladimir Putin. Laut der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) seien Standards des "gesunden demokratischen" Prozess nicht eingehalten worden.

Dies sagte der Leiter der OSZE-Beobachtermission, Julian Peel-Yates, am Montag in Moskau. Weder habe es eine politische Debatte noch einen "echten Pluralismus" gegeben. Die öffentlichen russischen Medien missachteten laut Peel-Yates wichtige Regeln, etwa die Gleichbehandlung aller Kandidaten.

Amtsinhaber Wladimir Putin ist nach der Auszählung von 99,2 Prozent der abgegebenen Stimmen bei der russischen Präsidentenwahl offiziell zum Sieger erklärt worden. Er erhielt 71,2 Prozent der abgegebenen Stimmen, wie die Zentrale Wahlkommission am Montagmorgen mitteilte. Bei einer Pressekonferenz versprach Putin, die Bürgerrechte und die Pressefreiheit in Russland zu stärken. Beobachter des Europarats kritisierten unterdessen, der Wahlkampf sei nicht fair verlaufen.

Am Wahltag selbst sei es jedoch nicht zu größeren Unregelmäßigkeiten gekommen, sagte der Chef der Wahlbeobachter-Delegation, Rudolf Bindig, im ZDF-Morgenmagazin. Wie die russische Opposition kritisierte Bindig aber die Berichterstattung der Medien über den Wahlkampf als einseitig. "Putin ist in den großen staatlich kontrollierten Fernsehprogrammen deutlich bevorzugt worden", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete. Dies gelte auch, wenn man berücksichtige, dass ein Staatschef von Amts wegen mehr Möglichkeiten habe, sich zu präsentieren. "Wenn dies das Acht- bis Zehnfache erreicht, dann ist das nicht mehr akzeptabel", sagte Bindig.

Putins fünf Herausforderer hatten bereits vor der Abstimmung beklagt, sie hätten kaum Gelegenheit gehabt, sich den Wählern zu präsentieren. Den höchsten Stimmanteil nach Putin erzielte mit gerade 13,7 Prozent der kommunistische Kandidat Nikolai Charitonow, die übrigen vier Herausforderer mussten sich mit einstelligen Ergebnissen bescheiden.

Der Nationalist Sergej Glasjew erreichte 4,1 Prozent der Stimmen, die liberale Kandidaten Irina Chakamada 3,9 Prozent. Lediglich 2,0 Prozent entfielen auf Oleg Malyschkin aus dem Lager des rechtsextremen Politikers Wladimir Schirinowski. An letzter Stelle lag der Präsident des Föderationsrates, Sergej Mironow, mit lediglich 0,8 Prozent.

Glasjew warf den Behörden Manipulation vor. Die unabhängige Beobachtergruppe VOICE berichtete von zahlreichen Verstößen gegen die Wahlgesetze vor allem in der Provinz. Zweifel gab es insbesondere an den Ergebnissen aus Tschetschenien, wo die Wahlbeteiligung nach offiziellen Angaben 90 Prozent erreichte. Für Putin sollen 93 Prozent der tschetschenischen Wähler gestimmt haben. In den Wahllokalen in Grosny und anderen Städten waren am Sonntag jedoch nur wenige Menschen zu sehen.

Wahlbeteiligung von knapp 65 Prozent

Landesweit lag die Wahlbeteiligung bei 64,3 Prozent. Nach Angaben der Wahlkommission gaben 3,5 Prozent der 110 Millionen Wahlberechtigten ungültige Stimmen ab, indem sie sich "gegen alle Kandidaten" aussprachen.

Putins Sieg war erwartet worden, die hohe Zustimmungsrate von 71 Prozent bedeutet jedoch eine weitere Stärkung des Präsidenten, der die Wahl 2000 mit nur 52,5 Prozent der Stimmen gewonnen hatte. "Ich denke, ich habe in den vergangenen Jahren hart gearbeitet, und ich habe ehrlich gearbeitet. Die Leute müssen das gespürt haben", sagte Putin am Sonntag.

US-Außenminister Colin Powell äußerte sich angesichts des Wahlergebnisses besorgt über "ein Maß an Autoritarismus, das sich wieder in die Gesellschaft zurück schleicht". Putin erwiderte unter Verweis auf die Pannen bei der Stimmenauszählung nach der letzten US-Präsidentschaftswahl, einige sähen "den Splitter im Auge des anderen, aber nicht den Balken vor dem eigenen". Man werde die Kritik aber prüfen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort