Geert Wilders im Wahlkampf "Gehen Sie weg, kommen Sie nicht wieder"

Valkenburg · Öffentliche Auftritte von Geert Wilders sind selten. Am vergangenen Samstag allerdings kann er aus dem diplomatischen Streit zwischen der Türkei und den Niederlanden im Wahlkampf Kapital schlagen.

 Geert Wilders macht mit Anhängern Selfies.

Geert Wilders macht mit Anhängern Selfies.

Foto: Adrianne de Koning

Es ist ein sonniger Samstag. Die Cafés im Touristendörfchen Valkenburg zwischen Maastricht und Sittard sind gut gefüllt. Es könnte idyllisch sein. Wären da nicht die vielen Polizisten, die Wege absperren und die Menschen zurückdrängen. "Was ist denn hier los?", fragt eine deutsche Stimme. "Geert Wilders", sagt eine andere. Ja, Geert Wilders ist los.

Zwei schwarze BMW-Limousinen fahren vor. Jubelrufe, Klatschen, als sich der wohl bekannteste Politiker der Niederlande in der Mittagssonne zeigt. Wilders setzt ein breites Grinsen auf und beginnt mit dem "flyeren", wie man in Holland sagt. Wörtlich übersetzt heißt es "Flyer verteilen", gemeint ist: Werbung für sich selbst machen. Wilders ist gewohnt enthusiastisch bei der Sache. Sein Gesicht wirkt braun gebrannt. Es gibt die Geschichte, dass Wilders vor Auftritten wie diesen seit Kurzem geschminkt wird, weil er auf Fotos zuletzt immer so blass aussah. Dass er seine Haare stets blond färbt, ist derweil kein Geheimnis. Mit 1,95 Metern ist der Chef der rechtspopulistischen "Freiheitspartei" (PVV) zudem der größte Spitzenkandidat der Niederlande.

Öffentliche Auftritte wie diese gibt es mit Wilders selten. Doch seine Partei hat in der Provinz Limburg zuletzt viele Stimmen verloren. Wenn er gefragt wird, ob er am Mittwoch bei der Parlamentswahl gewinnen wird, hält sich Wilders ungewohnt zurück. In den Umfragen hat die Volkspartei von Premier Mark Rutte die PVV überholt und ist nun stärkste Kraft. Steht er wie heute vor einer Menschenmenge, sagt Wilders Dinge wie "geweldig" ("großartig") und fragt die Menschen: "Alles goed?".

Wobei er das "G" nicht wie üblich krächzt, sondern fast wie ein deutsches "G" ausspricht. Es ist der Limburger Dialekt, den Wilders - selbst gebürtiger Venloer - sofort aufsetzt, wenn er mit dem "normalen Volk" spricht. Die Leute mögen es. Ich bin einer von euch, ist die Botschaft. Wilders verspricht einem Arbeitslosen, dass dieser bald wieder eine Stelle haben werde. Er will wieder mehr Unternehmen in die Region locken. Wilders drückt dem Mann einen selbst gedruckten Geldschein, der Wilders' Konterfei zeigt, in die Hand und klopft ihm auf die Schulter. Andere in der Menge wollen einfach nur ein Selfie mit Wilders. Ob Mann, Frau, Kind oder Hund, Wilders lässt sich mit jedem fotografieren.

Vier Leibwächter umgeben den PVV-Chef

Die hohe Sicherheitsstufe des PVV-Chefs erfordert dann aber doch mehr Distanz. Vier Leibwächter folgen Wilders auf Schritt und Tritt. Sie bitten Journalisten, die Kameras zurückzunehmen, ein Jugendlicher möge doch bitte die Hände aus der Jackentasche nehmen, wenn er mit Wilders spreche, und während Mütter mit ihren Babys auf dem Arm dem Rechtspopulisten freudig zuwinken, werfen Polizisten einen Blick in die leeren Kinderwagen.

Während seines Rundgangs widmet sich Wilders immer wieder den Journalisten, mit denen er in der Sprache spricht, in der er gefragt wird: Englisch, Deutsch, Niederländisch. Wenn er merkt, dass mehrere Journalisten unterschiedlicher Nationen die gleiche Frage haben, sagt er, dass er jetzt Englisch sprechen werde, damit alle es verstehen.

Das Thema Islam ist allgegenwärtig

Das Thema Islam ist in den Gesprächen allgegenwärtig. Wilders will die Niederlande "de-islamisieren", wie er es nennt. So hat er es in sein Wahlprogramm geschrieben, das auf einer Din-A4-Seite Platz findet. "Der Islam ist für mich nicht mit Freiheit in Einklang zu bringen", sagt er. Wie er das denn im Detail anstellen wolle, fragt eine spanische Journalistin. Wilders grinst nur und geht weiter. So ergeht es an diesem Tag vielen, die statt Plattitüden Konkretes hören wollen. Wilders redet nicht gern über Konkretes.

Plötzlich ploppt auf den Smartphones die Eilmeldung auf, dass die Niederlande der Maschine des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu die Landung versagt haben. Danach gefragt sagt Wilders, er begrüße die Entscheidung der Regierung sehr. Zumal es ja seine Partei, die PVV, gewesen sei, die unter anderem mit Protestmärschen vor der türkischen Botschaft in Den Haag die Regierung von Premier Rutte sensibilisiert habe, bei dem Thema Härte zu zeigen. Als sich wenig später am Abend die Situation vor dem türkischen Konsulat in Rotterdam zuspitzt, weiß Wilders auch diesen Konflikt für sich zu nutzen.

Bürgermeister Ahmed Aboutaleb hatte zuvor der türkischen Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya den Zugang zum Konsulat verwehrt. 1500 türkischstämmige Niederländer protestieren vor dem Gebäude. Wilders schreibt daraufhin bei Twitter an die türkische Ministerin: "Gehen Sie weg, kommen Sie nicht wieder und nehmen Sie bitte all Ihre türkischen Fans aus den Niederlanden mit."

Diplomatischer Eklat kurz vor den Wahlen

Der Eklat trifft die Niederlande wenige Tage vor der am Mittwoch stattfindenden Parlamentswahl, bei der sich Rutte vor allem gegen Wilders behaupten muss. Während Rutte die von Präsident Recep Tayyip Erdogan lancierten Vergleich mit "Nazi-Überbleibseln" zunächst als "verrückte Bemerkung" zurückgewiesen hatte, bemühte er sich gestern um Deeskalation. "Falls die Türken sich entscheiden, zu eskalieren, werden wir reagieren müssen. Aber wir werden alles dafür tun, zu deeskalieren." Er sagte aber auch, dass der türkische Außenminister und danach die aus Deutschland mit dem Auto anreisende Familienministerin an Reden zum türkischen Verfassungsreferendum gehindert werden mussten, weil die Türkei schon vorab mit Sanktionen gedroht habe.

Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung wurde Cavusoglu von den Niederlanden zuvor offiziell gebeten, auf Wahlkampfauftritte zu verzichten. Vor der Parlamentswahl würden Wahlkampfauftritte nur Gegner der Türkei und des Islam stärken, hieß es zur Begründung. Er habe dafür zunächst auch Verständnis gezeigt. An diesem Wochenende galt das offenbar nicht mehr.

(jaco)
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