Norwegen Wahlkampf im Schatten von Utoya

Oslo (RP). Die Jungsozialistin Jorid Nordmelan hat Utoya überlebt. Am Samstag packte sie zum letzten Mal Kartons mit Wahlbroschüren vor dem Hauptquartier am Youngstorget in Oslo aus. Denn an diesem Montag enden in Norwegen, nur 52 Tage nach dem Massaker an der sozialdemokratischen Jugendorganisation auf der Fjordinsel Utoya, die zweitägigen Kommunal- und Regionalwahlen.

 Der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg fand bei den Gedenkfeiern in Oslo passende Worte, um seinen Landsleuten neu Kraft zuzusprechen.

Der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg fand bei den Gedenkfeiern in Oslo passende Worte, um seinen Landsleuten neu Kraft zuzusprechen.

Foto: SCANPIX NORWAY, AFP

Jorid hat den Massenmord versteckt unter einem Bett in einem Schlafsaal überstanden, ihr Chef und viele andere sind tot — kurzfristig mussten Nachfolger benannt werden. Es seien so viele Beerdigungen gewesen, dass sie nicht auf alle gehen konnte, sagt Jorid. Dann begann schon der Wahlkampf. Hinter ihr überragt der Gebäudeklotz der Arbeiterpartei alles andere und unterstreicht damit auch architektonisch die zentrale Bedeutung, die sie in Norwegen seit der Unabhängigkeit von Schweden 1905 wie keine andere Kraft hatte.

Auch die große Sympathiewelle für die sozialdemokratische Partei von Ministerpräsident Jens Stoltenberg, der kurz nach Utoya gewaltige Stimmenzuläufe von bis zu 36 Prozent vorausgesagt wurden, ist inzwischen mit 28,5 Prozent (-1,1 zu den letzten Kommunalwahlen 2007) völlig verebbt. Laut Umfragen liegen die Parteien in etwa wieder so wie vor dem Massaker im Juso-Sommercamp am 22. Juli.

Von Utoya scheint letztlich vor allem die rechtsliberale Partei Höyre zu profitieren. Denn bei den sozialen Kernthemen gilt sie laut Umfragen den Wählern als Reformer, die Sozialdemokraten als Ex-Staatspartei dahingegen als Verursacher der Probleme.

Jorid und ihre Freunde von den Jusos sind müde. Müde vom Wahlkampf, von den vielen Besuchen in Gymnasien, den Diskussionen mit den Schülern, der Überzeugungsarbeit auf den Hauptstraßen von Oslo und vom beginnenden Herbst, der nun mit Gewissheit einkehrenden monatelangen skandinavischen Dunkelheit.

Utoya, das liegt erstmal irgendwo tief im Magen. "Es ist immer da, aber wird von Alltäglichem überlagert. Das ist für mich ganz gut so", sagt Jorid. Sie hat versucht, zur Normalität zurückzukehren.

(RP)
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