Nach Wahl in Belarus Ein Toter bei Protesten – Oppositionelle verlässt Land

Minsk · Die Proteste in Belarus halten auch am zweiten Abend nach Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses an. Ein Demonstrant kommt bei Protesten ums Leben. Die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja ist nach Litauen ausgereist

 Demonstranten schwenken alte belarussische Nationalflaggen während eines Massenprotests nach den Präsidentschaftswahlen in Belarus.

Demonstranten schwenken alte belarussische Nationalflaggen während eines Massenprotests nach den Präsidentschaftswahlen in Belarus.

Foto: dpa/Sergei Grits

Bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten in Minsk ist nach Angaben des belarussischen Innenministeriums ein Protestierender getötet worden. Der Mann habe einen Sprengsatz werfen wollen, doch sei er noch in seiner Hand explodiert, teilte Ministeriumssprecher Alexander Lastowsky am Montag mit. Das Opfer habe zur Menge gehört, die gegen das Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom Sonntag protestiert habe.

Nach offiziellen Angaben hat sich der seit 26 Jahren regierende Staatschef Alexander Lukaschenko durchgesetzt und 80 Prozent der Stimmen geholt. Demnach dürfte er bis 2025 Staatschef bleiben. Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja erhielt laut der Wahlkommission zehn Prozent der Stimmen. Sie beantragte eine Neuauszählung. Lukaschenko bezeichnete die Opposition als „Schafe“, die von ausländischen Kräften manipuliert seien.

Nach der Beantragung der Neuauszählung tauchten Tichanowskaja und ihre Sprecherin unter. Sie habe die Entscheidung getroffen, mit ihren Kindern zusammen zu sein, sagte sie kurz vor Verlassen der Zentrale der Wahlkommission. Tichanowskaja das Land verlassen und hält sich im EU-Land Litauen auf. Die 37-Jährige sei nun in Sicherheit, teilte der litauische Außenminister Linas Linkevicius am Dienstag im Kurznachrichtendienst Twitter mit. Der Minister hatte sich am Montagabend angesichts der Gewalt in Belarus besorgt gezeigt um die Sicherheit der zweifachen Mutter.

Tichanowskaja hatte sich aber auch massiv bedroht gefühlt von den Sicherheitskräften um den autoritären Präsidenten Alexander Lukaschenko. Der 65-Jährige hat mit dem Einsatz der Armee gedroht, um seine Macht auch nach 26 Jahren für eine sechste Amtszeit zu verteidigen. Tichanowskaja hatte zuvor auch ihre Kinder außer Landes bringen lassen. Ihr Mann Sergej Tichanowski, ein regierungskritischer Blogger, sitzt in Haft. Tichanowskaja war an seiner Stelle bei der Wahl angetreten und hatte als einzige Oppositionelle eine Zulassung als Kandidatin erhalten.

Auch am Montagabend protestierten Tausende Menschen in Belarus gegen das Resultat der Wahl. Neben Minsk gab es in zahlreichen anderen Städten Proteste, darunter Brest, Mogilev und Vitebsk. In mindestens vier Stadtteilen von Minsk kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die versuchte, die Protestierenden mit Blendgranaten und Gummigeschossen auseinander zu treiben. Nahe der U-Bahn-Station Pushkinskaya versuchten etwa 3000 Protestierende, Barrikaden zu errichten. Ein großes Polizeiaufgebot sperrte zentrale Plätze und Straßen.

Auch am Sonntag waren Dutzende bei Protesten gegen das Wahlergebnis verletzt und Tausende festgenommen worden. Die Polizei war brutal mit Tränengas, Wassserkanonen und Schlagstöcken gegen die überwiegend jungen Protestierenden vorgegangen.

Das Vorgehen der Polizei zog scharfe Kritik aus anderen europäischen Ländern auf sich. Lukaschenkos Bemühungen um verbesserte Beziehungen mit dem Westen dürften davon beeinträchtigt werden. Auch zwischen Belarus und dem wichtigsten Verbündeten Russland herrschen Spannungen.

(ahar/dpa)
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