Parlamentswahl in Schweden Rechtsruck schwächer als befürchtet

Stockholm · Die Rechtspopulisten haben in Schweden ein historisch gutes Ergebnis eingefahren. Ansonsten ist wenig klar nach der Wahl. Bis die Regierung steht, könnten lange Wochen vergehen.

 Stefan Löfven, Ministerpräsident von Schweden und Parteivorsitzender der Sozialdemokratischen Partei, spricht auf einer Wahlparty.

Stefan Löfven, Ministerpräsident von Schweden und Parteivorsitzender der Sozialdemokratischen Partei, spricht auf einer Wahlparty.

Foto: dpa/Jonas Ekströmer

Bei der Parlamentswahl in Schweden haben die rechtsextremen Schwedendemokraten (SD) starke Zugewinne erzielt und sind dem vorläufigen Ergebnis zufolge drittstärkste Kraft geworden. Parteichef Jimmy Akesson kündigte nach der Wahl am Sonntagabend an, die SD werde nun „echten Einfluss“ in der Politik ausüben. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Stefan Löfven, dessen Partei trotz Verlusten stärkste Kraft blieb, lud die Opposition zu Gesprächen ein.

Nach Auszählung von 99,8 Prozent der Wahlbezirke kamen Löfvens Sozialdemokraten auf 28,4 Prozent der Stimmen. Es war das schlechteste Ergebnis in mehr als 100 Jahren. Die konservativen Moderaten landeten mit 19,8 Prozent auf Platz zwei. Drittstärkste Kraft wurde die SD mit 17,6 Prozent. Damit rückt auch Schweden, das Vorzeigeland der Sozialdemokratie, politisch weiter nach rechts - allerdings nicht so stark wie andere EU-Länder. Das endgültige Wahlergebnis dürfte erst am Mittwoch vorliegen, da die Stimmen der Schweden im Ausland noch ausgezählt werden müssen.

Die SD war bei der Wahl 2014 noch auf 12,9 Prozent gekommen. Parteichef Akesson hatte gehofft, bei der Wahl am Sonntag 20 bis 30 Prozent der Stimmen zu holen. Obwohl die Partei schlechter abschnitt als erwartet, erklärte Akesson nach der Wahl: „Wir werden in der schwedischen Politik echten Einfluss gewinnen.“ Die Partei habe ihre „Rolle als Königsmacher gestärkt“.

 Jimmie Akesson, Vorsitzender der rechtspopulistischen Schwedendemokraten.

Jimmie Akesson, Vorsitzender der rechtspopulistischen Schwedendemokraten.

Foto: dpa/Anders Wiklund

Löfven lud die Opposition nach der Wahl zu Gesprächen ein. Die Wahl habe „die Beerdigung der Blockpolitik“ besiegelt, sagte er. „Es ist klar, dass keiner eine Mehrheit erzielt hat, also ist es natürlich, eine blockübergreifende Zusammenarbeit zu haben“, sagte Löfven. „Die Wähler haben ihre Entscheidung getroffen, jetzt liegt es an uns, den anständigen Parteien, das Endergebnis abzuwarten und dann zu verhandeln und zu kooperieren, um Schweden in verantwortungsvoller Weise voranzubringen.“

Löfven hatte seine Partei noch am Wahltag als Bollwerk gegen die Rechtsextremen bezeichnet. Da beide Blöcke - Rot-Grün und Konservative - auf keine Mehrheit kommen, wird in dem skandinavischen Land eine schwierige Regierungsbildung erwartet. Die Regierungsbildung, die in Schweden normalerweise nach durchschnittlich sechs Tagen erledigt ist, könnte demnach Wochen dauern.

Die konservativen Oppositionsparteien um die Moderaten von Ulf Kristersson lehnten Löfvens Gesprächsangebot ab und forderten ihn zum Rücktritt auf. Sie bekräftigten zugleich ihre Entschlossenheit, selbst eine Regierung zu bilden. Die Schwedendemokraten verhindern jedoch eine stabile Regierungsmehrheit für eins der beiden Lager. Stattdessen deutet sich ein wackeliges Patt an: Sozialdemokraten, Grüne und die sozialistische Linkspartei kommen zusammen auf 144 Sitze, die liberal-konservative Vier-Parteien-Allianz unter Führung der Moderaten auf 143.

Minderheitsregierungen sind in Schweden zwar normal. Jedes denkbare Bündnis wäre nach derzeitigem Stand bei Abstimmungen im Parlament aber auf die Zustimmung der Schwedendemokraten angewiesen. Das wollen die traditionellen Parteien eigentlich verhindern, denn es würde den Rechtspopulisten - ähnlich wie in Dänemark - die Macht geben, als Mehrheitsbeschaffer die eigene Politik mit durchzudrücken. Eine Position, die fast komfortabler ist als die einer Regierungspartei.

Ministerpräsident Löfven steht wegen seines Umgangs mit der Flüchtlingskrise in der Kritik. Die einen werfen ihm vor, die Tore des Landes für Flüchtlinge zu weit geöffnet zu haben - die anderen, die Asylpolitik anschließend zu sehr verschärft zu haben. Seit 2012 kamen hunderttausende Asylbewerber nach Schweden. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl von zehn Millionen nahm das Land so viele Flüchtlinge auf wie kein anderes Land in Europa. Hinzu kommt die wachsende Gewalt in Großstädten, die vor allem durch rivalisierende Banden befeuert wird.

Wie in Deutschland wuchs trotz blühender Wirtschaft und niedriger Arbeitslosigkeit eine diffuse Angst in Teilen der Bevölkerung. Und genau wie in Deutschland profitiert davon nun eine populistische Partei, die das düstere Bild einer Gesellschaft zeichnet, in der sich die Politik nicht um die Alteingesessenen kümmert. Die Schwedendemokraten setzten im Wahlkampf auf Abstiegsängste und die Unzufriedenheit vieler Schweden mit der Einwanderungspolitik der Regierung.

Löfven hatte bislang mit Kompromissen mit den Konservativen eine rot-grüne Minderheitsregierung am Leben erhalten. Allerdings sind Teile der Opposition entschlossen, ihn zu Fall zu bringen. Auch wenn bislang alle Parteien eine Zusammenarbeit mit der SD ausgeschlossen haben: Bei den Moderaten gab es zuletzt einige Stimmen für ein Paktieren mit den Rechten.

Angesichts des Vormarschs von Rechtspopulisten in Europa in Folge der Flüchtlingskrise war die Wahl auch außerhalb Schwedens mit großer Spannung verfolgt worden. Die Chefin der rechtspopulistischen Nationalen Sammlungsbewegung (RN) in Frankreich, der früheren Front National, Marine Le Pen, twitterte zur Wahl in Schweden: „Der EU steht eine weitere schlechte Nacht bevor. Die demokratische Revolution in Europa kommt voran.“

(mba/AFP/dpa)
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