Gaza Vor der Wahl: Abbas lässt sich feiern

Gaza (rpo). So langsam findet er doch den Draht zu seinen Landsleuten. Mahmud Abbas war bisher kein Freund der Massen. Zu versöhnlich und bedacht schien der Weggefährte Jassir Arafats und Favorit bei der Präsidentschaftswahl am 9. Januar den meisten Palästinensern. Vor allem bei den Jungen und den Radikalen kamen seine Aufrufe zum friedlichen Widerstand gegen die israelische Besetzung gar nicht gut an.

Und dennoch: Bei seinen Wahlkampfauftritten in den vergangenen Tagen empfing ihn das Volk mit wahren Begeisterungsstürmen. Der Jubel seiner Anhänger weckt sogar Erinnerungen an den perfekt choreografierten US-Wahlkampf.

Tausende Palästinenser flankieren die Straßen, wenn sich der Konvoi mit Abbas in einer der schwarzen Mercedes-Limousinen nähert. Auch die Bewohner des Gazastreifens, der Hochburg der islamistischen Gruppen Hamas und Islamischer Dschihad, empfangen den säkularen PLO-Chef mit Begeisterungsstürmen.

In Chan Junis drängten sich die Menschen am Samstag so dicht um ihn, dass sich Abbas eine Handverletzung zuzog. Die Umfragen spiegeln die allgemeine Zustimmung wider: Der einstige Regierungschef von Arafats Gnaden hat 43 Prozentpunkte Vorsprung vor dem ihm am nächsten kommenden Konkurrenten. Seinen Sieg wird wohl auch nicht die radikalislamische Hamas mit ihrem Aufruf zum Wahlboykott verhindern.

Viele kampfesmüde Landsleute unterstützen Abbas, weil er offen für ein Ende des bewaffneten Aufstands gegen Israel plädiert. Die meisten aber werden ihn vor allem deswegen wählen, weil er der Mann Arafats ist. Ihr toter Präsident ist in den Köpfen der Palästinenser noch sehr lebendig. Das weiß auch Abbas, und so erinnert er an seinen einstigen Chef, wann immer es passend erscheint: "Auch wenn Arafat tot ist, seine Prinzipien sind es nicht. Sie werden von Generation zu Generation weitergegeben", verspricht er.

Bei den Wählern kommt das gut an: Er wolle Abbas seine Stimme geben, "weil er ein Gefährte von Arafat ist, und es wie dieser machen wird", sagt zum Beispiel Muna Abu Romi. Er halte zu Abbas, weil dieser Abu Ammar (Kampfname Arafats) am nächsten komme, sagt auch Atta Schtewi. So ähnlich sehen es wohl auch die El-Aksa-Brigaden, die den radikalen militärischen Flügel der Fatah-Organisation von Arafat und Abbas repräsentieren. Sie lieben ihren Kandidaten nicht, unterstützen ihn aber.

Das ambivalente Verhältnis beider Seiten wurde vorige Woche auf einer Wahlkampfveranstaltung in Dschenin im Westjordanland deutlich, bei der sich Abbas Hand in Hand mit dem örtlichen Chef der El-Aksa-Brigaden, Sakaria el Subeidi, präsentierte. Subeidi distanzierte sich nach Abbas' Rede einfach von dessem Aufruf zum Gewaltverzicht.

Der US-Regierung bereiten die engen Verbindungen zwischen Abbas und mutmaßlichen Drahtziehern von Selbstmordanschlägen Kopfzerbrechen. Er sei beunruhigt, äußerte sich US-Außenminister Colin Powell im US-Fernsehsender NBC. Washington wäre es am liebsten, wenn Abbas die Brigaden eindeutig verurteilte. Doch ist auch Powell Politiker genug, um zu wissen, dass Abbas sie nicht vor den Kopf stoßen darf: "Abbas befindet sich im Wahlkampf. Er muss alle Teile der palästinensischen Bevölkerung erreichen."

(afp)
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