Jahresrückblick 2005 Von London bis Amman - die Blutspur des Terrors

Düsseldorf (rpo). Es ist 8.50 Uhr, die Londoner U-Bahn ist – wie jeden Morgen zur Rush-Hour – proppenvoll. Schon eine Minute später ist nichts mehr wie jeden Morgen: Zwischen der Haltestelle Moorgate und Liverpool Street detoniert eine Bombe. Nicht die einzige in London, nicht die einzige im Jahr 2005. Sei es London, Scharm el Scheich, Amman oder Neu-Delhi - der Terror hat in diesem Jahr auf der ganzen Welt Angst und Schrecken verbreitet.

Chronologie: Tag des Schreckens in London im Juli 2005
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Chronologie: Tag des Schreckens in London im Juli 2005

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Düsseldorf (rpo). Es ist 8.50 Uhr, die Londoner U-Bahn ist — wie jeden Morgen zur Rush-Hour — proppenvoll. Schon eine Minute später ist nichts mehr wie jeden Morgen: Zwischen der Haltestelle Moorgate und Liverpool Street detoniert eine Bombe. Nicht die einzige in London, nicht die einzige im Jahr 2005. Sei es London, Scharm el Scheich, Amman oder Neu-Delhi - der Terror hat in diesem Jahr auf der ganzen Welt Angst und Schrecken verbreitet.

Dabei sind es nicht unbedingt die Opferzahlen, die Angst machen. Sondern die Zahl der Anschläge in den verschiedenen Ländern. Das Schreckensszenario, das die Terroristen vermitteln wollen: Jederzeit kann an jedem Ort die nächste Bombe in Luft gehen. Und niemand scheint das verhindern zu können. Auch die USA nicht, die einen verbissenen Krieg gegen den Terror führen. Gegen Ende des Jahres werden Details von Anti-Terror-Kampf des US-Geheimdienstes CIA bekannt, die gerade die europäischen Länder nicht erfreut.

London: Insgesamt gehen am 7. Juli vier Bomben im Londoner Nahverkehr hoch — drei explodieren in der U-Bahn, eine in einem Bus. Obwohl Busse und U-Bahnen an diesem Morgen vollbesetzt sind, sterben weniger Menschen als anfangs befürchtet: "56 Todesopfer" lautet die offizielle Angabe. Mehr als 700 werden teilweise schwer verletzt. Mit den Selbstmordanschlägen haben die Terroristen die Metropole an ihrer verwundbarsten Stelle getroffen, doch die Londoner ließen sich nicht einschüchtern. Das Leben geht weiter und schon am nächsten Tag pendeln wieder Hunderttausende zur Arbeit. Genau zwei Wochen später wieder eine Terrormeldung, erneut sind vier Bomben detoniert, drei in der U-Bahn, eine im Bus. Ein Blutbad bleibt aus, offenbar waren es Nachahmer, deren Bomben ihre Wirkung verfehlten.

Scharm el Scheich: Mehr als 80 Menschen sterben im ägyptischen Badeort Scharm el Scheich, als in der Nacht zum 23. Juli drei Autobomben explodieren. Ziel der Anschläge: Die Tourismusindustrie in Ägypten zu schwächen. Zwei der Bomben detonieren in zwei Hotels, die dritte auf dem Alten Markt vor einem Café. Eine Massenpanik bricht aus. Augenzeugen berichten davon, dass Touristen durch die dunklen Straßen irren, überall hätten Tote und Verletzte gelegen. Wie die Behörden mitteilen, sind neben Einheimischen auch Briten, Russen, Niederländer sowie Touristen aus Saudi-Arabien, Katar und Kuwait unter den Toten. Es war der verheerendste Anschlag in Ägypten seit fast zehn Jahren.

Amman: In der jordanischen Hauptstadt Amman werden am 9. September auf drei Luxushotels Selbstmordanschläge verübt, mehr als 50 Menschen kommen ums Leben. Eines der Hotels, das Radisson SAS, ist besonders bei israelischen Touristen beliebt. Wie nachher bekannt wird, waren auf das Hotel bereits mehrfach Anschläge geplant worden, die allerdings immer rechtzeitig verhindert werden konnten. Zum Zeitpunkt der Explosion fand dort eine Hochzeitsfeier mit rund 300 Gästen statt, die zunächst dachte, es handele sich um Feuerwerkskörper. Bis zu diesem Tag war Jordanien von Terrorakten weitgehend verschont geblieben, das Königreich gilt als das stabilste Land im Nahen Osten.

Neu-Delhi: Drei Explosionen bringen den Terror auch nach Indien: Am 29. Oktober explodieren vier Bomben in Neu-Delhi. Die erste Bombe geht in einem Einkaufsviertel hoch, das bei Rucksacktouristen beliebt ist. Zwei weitere treffen einen Markt zur Haupteinkaufszeit, zehntausende Menschen sind unterwegs, um sich für einen hinduistischen Feiertag einzudecken. Die vierte Bombe detoniert in einem Bus. Insgesamt kommen an diesem blutigen Nachmittag erneut mehr als 50 Menschen ums Leben, darunter viele Kinder.

Irak: Terror gehört im Irak im Jahr 2005 zum Alltag — es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine Bombe explodiert und Menschen in den Tod reißt. Allein im November detonieren 24 Autobomben, dreimal sprengen sich Selbstmordattentäter mit Sprengstoffgürteln in die Luft. Insgesamt 666 Todesopfer zählt die Nachrichtenagentur AFP für diesen Monat, 540 davon sind Zivilisten, also ganz normale Menschen.

Israel: Auch der Abzug der Israelis aus einem Teil der besetzten Gebiete bringt keine Ruhe. Noch bis in den März versuchen Palästinenser mit fast einem Dutzend Anschlägen, den Friedensprozess zu torpedieren. Als die Israelis den Gaza-Streifen verlassen, flammt Ende August der Terror wieder auf. Anfang Dezember tötet ein Selbstmordattentäter in einer Geschäftsstraße in Netanya fünf Menschen, 50 werden verletzt. Im Gegenzug beginnen die Israelis wieder damit, palästinensische Funktionäre gezielt zu töten.

Der US-amerikanische Geheimdienst CIA ist in seinem Krieg gegen den Terror in die Kritik geraten — sowohl in Europa als auch in den USA selbst. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch werfen der CIA vor, jenseits aller Rechtsstaatlichkeit unter anderem in Osteuropa Geheimgefängnisse eingerichtet zu haben, in die Terrorverdächtige verschleppt wurden. Eine offizielle Stellungnahme dazu steht noch aus, der US-Senat drängt die Regierung um Aufklärung, auch die EU verlangt Auskunft von George W. Bush. In dem Zusammenhang kommt ans Licht, dass viele Flughäfen innerhalb der EU vom US-Geheimdienst für geheime Transporte von Terrorverdächtigen benutzt wurden — wie viel die jeweiligen Regierungen davon wussten, ist noch nicht klar.

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