Schlusslicht in Europa Schweizer stimmen in Volksentscheid für Ehe für alle

Bern · In der Schweiz ist mit einer Volksabstimmung über die Ehe für alle abgestimmt worden. Nach der Auszählung steht fest: Als eines der Schlusslichter in Westeuropa erlaubt das Land nun auch die Ehe für lesbische und schwule Paare.

 Menschen protestieren bei der Zurich Pride Parade für die Rechte der LGBTIQ* Community unter dem Motto „Trau Dich. Ehe fuer alle. Jetzt!“ (Archivbild).

Menschen protestieren bei der Zurich Pride Parade für die Rechte der LGBTIQ* Community unter dem Motto „Trau Dich. Ehe fuer alle. Jetzt!“ (Archivbild).

Foto: dpa/Michael Buholzer

Beim Volksentscheid in der Schweiz hat sich eine deutliche Mehrheit der Wahlberechtigten für die Ehe für alle ausgesprochen. 64,1 Prozent der Wahlberechtigten stimmten am Sonntag für die Neuregelung, wie die Schweizer Behörden mitteilten. Von den Verfechtern der gleichgeschlechtlichen Ehe wurde das Ergebnis vielerorts als "historisch" gefeiert.

"Das ist ein Tag des Feierns, des Sieges nach achtjähriger Kampagne", sagte Deborah Haenni von der Vereinigung Libero, die das "Ja" propagiert hatte. Indem die Schweiz nun gleichgeschlechtliche Ehen erlaube, gleiche sie sich anderen Ländern hinsichtlich Offenheit und Fortschritt an, sagte Haenni.

In den meisten Ländern Westeuropas ist die gleichgeschlechtliche Ehe bereits legal. Den Anfang machten 2001 die Niederlande, Frankreich folgte 2013, in Deutschland gilt dies seit 2017. Auch wenn die Umfragen ein "Ja" der Schweizer vorhergesagt hatten, fiel es eindeutiger aus als von vielen erwartet.

Die Kritiker der Legalisierung hatten die Volksabstimmung initiiert und eine offensive Kampagne geführt, um das neue Gesetz noch zu verhindern. Dieses tritt am 1. Juli 2022 in Kraft und sieht unter anderem vor, dass gleichgeschlechtliche Paare gemeinsam Kinder adoptieren können. Lesbische Frauen können sich in einer homosexuellen Partnerschaft auch künstlich befruchten lassen. Dieser Punkt war besonders umstritten, die Gegner erklärten, dies bedeute "den Tod des Vaters".

Bislang war für gleichgeschlechtliche Paare in der Schweiz eine eingetragene Lebenspartnerschaft möglich. Pro Jahr wurden etwa 700 solcher Partnerschaften geschlossen. Die gleichen Rechte wie eine Ehe, etwa hinsichtlich Fragen von Staatsbürgerschaft oder der Adoption von Kindern, bot eine solche Lebensgemeinschaft aber nicht. Seit 1942 wird Homosexualität in der Schweiz nicht mehr bestraft. Allerdings führten zahlreiche regionale Polizeistellen teils noch bis in die 90er Jahre sogenannte "Schwulenregister".

Anfang 2020 wurde Homophobie in der Schweiz unter Strafe gestellt, das Schweizer Parlament fasste dann nach jahrelanger Debatte auch einen Beschluss zugunsten der Ehe von Homosexuellen in dem 8,6 Millionen Einwohner zählenden Land. Die Regierung und das Parlament hatten bei den Wählern um Zustimmung für das Gesetz geworben, um die "Ungleichbehandlung" von heterosexuellen und homosexuellen Paaren abzuschaffen.

Neben dem Referendum über die gleichgeschlechtliche Ehe wurde auch über die Besteuerung von Einkommen abgestimmt. Die von den Jusos vorgebrachte sogenannte 99-Prozent-Initiative verlangte, dass Einkommen aus Kapitaleinkünften ab einem bestimmten Schwellenwert künftig eineinhalb Mal so hoch besteuert werden wie Lohneinkommen. Prognosen von gfs.bern zufolge wurde die Initiative mehrheitlich abgelehnt.

Nach Angaben der schweizerischen Nachrichtenagentur Keystone-SDA verfügt ein Prozent der Schweizer Bevölkerung über rund 42 Prozent des gesamten Vermögens im Land. Mit der 99-Prozent-Initiative sollte mehr Verteilungsgerechtigkeit geschaffen werden - zugunsten der 99 Prozent, die nicht zu den Reichsten zählen.

(bsch/dpa)
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