Opern-Komponist tritt bei Präsidentschaftswahl an Vladimir Franz — Tschechiens exzentrischer Kandidat

Prag · Wenn die Tschechen am Freitag und Samstag an die Urnen gehen, um ihr neues Staatsoberhaupt zu wählen, dann blickt die Welt vor allem auf einen Kandidaten: Vladimir Franz. Denn der von Kopf bis Fuß Tätowierte sticht heraus. Und er könnte einen großen Achtungserfolg einfahren.

Vladimir Franz – exzentrischer tschechischer Präsidentschaftskandidat
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Dass Vladimir Franz tatsächlich neuer Präsident von Tschechien wird, glauben nur die Wenigsten. Denn als Favoriten gelten der bürgerliche Jan Fischer und der linke Milos Zeman. Doch nach Vorwahl-Umfragen könnte er immerhin mehr als elf Prozent der Stimmen erhalten — und somit den dritten Platz.

Damit käme der 53-Jährige zwar nicht in die voraussichtliche Stichwahl in einem Monat, doch er hätte das geschafft, was er wollte: Aufmerksamkeit und etwas gegen die Politikverdrossenheit im Lande zu tun. "Das politische System ist so mit sich selbst beschäftigt, dass es vergessen hat, sich selbst zu reflektieren", sagte er der Nachrichtenagentur AP in Prag.

90 Prozent seines Körpers mit Tattoos bedeckt

Franz sticht nicht nur heraus, weil er, der unabhängige Kandidat, keinerlei politische Erfahrung hat, sondern vor allem wegen seines Aussehens. Er trägt nicht nur gern Pelzmantel und spitze Schuhe, sondern ist von Kopf bis Fuß tätowiert. Wie der US-Sender ABC berichtet, sind 90 Prozent seines Körpers mit Tattoos bedeckt. "Meine Tattoos sind mein privater kleiner Garten", zitiert ihn der Sender. Aber er sagt auch: "Wahlen sind kein Schönheitswettbewerb. Es geht bei allem um Toleranz."

Für die 8,4 Millionen Tschechen, die nun an die Wahlurnen gerufen werden, ist Franz allerdings schon lange kein Unbekannter mehr, der sie mit seinem Aussehen schocken könnte, denn er feiert schon jahrelang Erfolge als Künstler.

Er ist Schauspiellehrer, Komponist und Maler, hat mehrere Opern komponiert, seine jüngste feiert an diesem Freitag Premiere. Und er gewann bereits sechs Mal den Theaterpreis "Alfred Radok". "Die Welt der Kunst gibt einem die Fähigkeit, authentisch über Dinge zu sprechen, man ist nicht mit diesem Neusprech infiziert, von dem die Leute die Nase voll haben", sagt er selbst.

Doch Franz ist nicht nur ein Künstler, sondern hat durchaus auch Erfahrungen gemacht, die ihn zu einem Kandidaten des Volkes machen.

Ein Jurist und Künstler

Franz machte 1982 seinen Jura-Abschluss, verzichtete jedoch auf eine Karriere auf diesem Gebiet unter dem kommunistischen Regime. Stattdessen war er in Arbeiterberufen tätig, kümmerte sich um Jugendliche mit Problemen und widmete sich daneben seiner Kunst. "Egal, was ich unternommen habe, ich habe immer ganz unten angefangen", sagt der Mann, der sich als "Kandidat der Bürger" sieht, selbst.

Dass er überhaupt zur Wahl antritt, hat er einer Gruppe von Bewunderern zu verdanken, die eine "Franz for President"-Inititiative ins Leben riefen, wie die Nachrichtenagentur AP berichtet. Und die hat Erfolg. Seinen Wahlkampf führt er vor allem über Facebook, wo er etwa auch ein Kinderbild von sich zeigt. Fast 60.000 Likes hat die Seite bereits.

Außerdem fährt er ein Wahlkampffahrzeug, das aus zwei aneinandergeschweißten Minis besteht. Er nennt es "Air Franz One". Und inzwischen wird er auch von einem führenden Ökonomen finanziell unterstützt, wie AP berichtet, seine Wahlkampfhelfer sind alle Freiwillige.

Diese unkonventionelle Art kommt an, vor allem bei der Jugend. Bei einer Befragung von 60.000 Schülern an knapp 450 Schulen erhielt er jüngst 40,7 Prozent der Stimmen. Die Schüler dürfen natürlich noch nicht wählen, dennoch dürfte es spannend werden, wie viel Prozent er am Ende bei der Wahl erreicht.

mit Agenturmaterial

(das)
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