Analyse zur Lage in der Ukraine Vitali Klitschko kämpft in München für Demokratie

München · Die Lage in der Ukraine ist dramatisch. Das schlägt auch auf die Münchner Sicherheitskonferenz durch: Oppositionsführer und Ex-Boxer Vitali Klitschko öffnen sich in Bayern alle Türen. Denn es geht darum, den Bürgerkrieg zu verhindern. Ein Zeichen der Hoffnung gibt es für den Iran.

Münchner Sicherheitskonferenz: Klitschko badet in der Menge
8 Bilder

Münchner Sicherheitskonferenz: Klitschko badet in der Menge

8 Bilder

4912 Kilometer sind es von München ins zentralafrikanische Bangui, 2552 Kilometer bis ins syrische Homs und 1392 Kilometer bis zum Maidan-Platz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Doch an den drei Tagen der Münchner Sicherheitskonferenz liegen alle Konflikt- und Kriegsgebiete hinter der nächsten Tür. Alle wichtigen Mächte der Welt sind mit vielköpfigen Delegationen im "Bayerischen Hof", bereiten pausenlos bilaterale Gespräche vor und nach, machen das Fünf-Sterne-Hotel zu einem einzigen diplomatischen Bienenstock, in dem geklärt wird, wo Kompromisslinien liegen, wie das Blutvergießen gestoppt werden könnte. Unter den Dutzenden von Staatschefs und Ministern, den Hunderten von sicherheitspolitischen Entscheidungsträgern ist dieses Mal einer der Star, dessen Werdegang so gar nichts mit dem der anderen gemeinsam hat: Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko.

Als Anführer der Opposition auf dem Maidan-Platz öffnen sich für ihn die Türen zu allen Wichtigen der Welt. Sie sind von dem prominenten Zwei-Meter-Mann so beeindruckt, dass sie Fotos von den Begegnungen twittern und posten. Auch auf ihn kommt es an, wenn der drohende Bürgerkrieg in der Ukraine noch verhindert werden soll. Und als er am Abend auf der Bühne der Sicherheitskonferenz sitzt, vor den Kameras Fotos von misshandelten Demonstranten zeigt, da wird in München wieder Geschichte geschrieben. Denn neben ihm sitzt der Vertreter seiner Widersacher, der ukrainische Außenminister Leonid Koschara. Und der behauptet, alles getan zu haben, was die Demonstranten auf den Straßen von Kiew wollten: Rücknahme der Strafverschärfung, Freilassung von Gefangenen, Rücktritt der Regierung.

Bulatow wieder aufgetaucht

Um ein weiteres Signal ist Stunden zuvor hinter den Kulissen gerungen worden. Kurz vorher ist der eine Woche verschollene Oppositionelle Dmitri Bulatow mit schweren Misshandlungen wieder aufgetaucht. Er berichtet von Folter, und das bringt umgehend die US-Delegation auf. Schon machen Forderungen von Sanktionen gegen das Regime des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch die Runde. Nach Telefonaten mit seinen Regierungskollegen berichtet Koschara, Bulatow werde nicht unter Hausarrest gestellt, er könne zur medizinischen Behandlung auch ausreisen. Am Abend macht sich Bulatow auf den Weg Richtung Baltikum. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat ihn zuvor eingeladen, nach Deutschland zu kommen.

Das wissen alle auf der Bühne, und doch ist es kein Thema. Im Gespräch mit unserer Redaktion analysiert Norbert Röttgen, Chef des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, dass Janukowitsch vor einigen Wochen mit seinen Zugeständnissen die Lage noch hätte beruhigen können. "Aber jetzt ist es zu spät", sagt Röttgen. Und nach drei Tagen intensiver Gespräche kommt er zu dem Schluss: "Ich glaube, dass es mit Janukowitsch keine Befriedung mehr gibt."

Koschara schiebt Schuld auf Demonstranten

Einen Beleg liefert Janukowitschs Außenminister auf offener Bühne. Als Klitschko beschreibt, wie die Lage eskaliert, schiebt Koschara die Schuld auf die Demonstranten. Bald nennt er sie sogar "Terroristen". Das ist Anlass für Rumäniens Präsident Traian Basescu, öffentlich an Janukowitsch zu appellieren: "Bitte seien Sie nicht versucht, die Streitkräfte einzusetzen!" Ein Satz, der die ganze Dramatik der verfahrenen Situation in der Ukraine verdeutlicht. Dahinter geht es um die Positionierung der Ukraine an der Seite Russlands oder an der Seite der EU. Europäische Politiker und auch US-Außenminister John Kerry versichern in München, sie stünden an der Seite des ukrainischen Volkes.

Vor den Fernsehkameras hat Klitschko bereits vor der Gefahr eines Bürgerkrieges gewarnt, bei einer Demonstration am Sendlinger Tor Sympathisanten versichert, die Opposition werde "bis zum Sieg kämpfen". Und was bedeutet die Eskalation für den Westen? "Wir brauchen Sanktionen gegen die Verantwortlichen von Gewalt und Unterdrückung", sagt Röttgen.

Ein Zeichen der Hoffnung auf eine "historische Chance" setzt München, indem die Sicherheitskonferenz Irans Außenminister Dschawad Sarif das Wort erteilt, um ihn erläutern zu lassen, was die Mäßigung und Öffnung seines Landes konkret bedeutet. Viel weiter auf dem Weg zum Frieden sind Serbien und das Kosovo, die entspannt miteinander umgehen. Wenig Fortschritte, aber deutlich mehr Druck aus den USA bringt eine Sitzung des Nahost-Quartetts am Rande der Sicherheitskonferenz. Dagegen sieht die Konferenz die Lage in Syrien nur als eine einzige Katastrophe.

(may-)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort