Ordensleben Viele Nonnen arbeiten bis zur völligen Erschöpfung

Rom · Die katholische Kirche entdeckt ein vernachlässigtes Problem: Ordensschwestern, die unter Burnout leiden.

 Papst Franziskus spricht während seiner wöchentlichen Audienz mit einer Gruppe von Nonnen. 

Papst Franziskus spricht während seiner wöchentlichen Audienz mit einer Gruppe von Nonnen. 

Foto: AP/Gregorio Borgia

Burnout ist nicht nur ein Phänomen, mit dem gestresste Geschäftsleute oder Eltern zu tun haben. Auch katholische Nonnen sind davon betroffen. Bereits im November fand in Rom ein Seminar der Internationalen Vereinigung der Generaloberinnen zur „Vorbeugung des Burnout und Resilienz im religiösen Leben“ statt. Die Beilage „Donne Chiesa Mondo“ der Vatikanzeitung Osservatore Romano berichtet in ihrer Februarausgabe über das Thema. Aus dem Bericht geht hervor, warum insbesondere Ordensschwestern vom Burnout betroffen sind: Sie stehen ganz unten in der kirchlichen Hierarchie.

Auf der Amazoniensynode im Oktober diskutierten die Bischöfe über eine stärkere Berücksichtigung von Frauen im kirchlichen Leben. Während Missbrauch die Spitze der Gewalt gegen Nonnen in aller Welt darstellt, gehören die Erschöpfungszustände offenbar zum Alltag der Ordensschwestern. „Burnout, das Syndrom der Überlastung am Arbeitsplatz, ist eine Krankheit, die viele Ordensschwestern betrifft“, heißt es in „Donne Chiesa Mondo“. 2017 gab es weltweit insgesamt rund 650.000 Nonnen, Tendenz abnehmend.

Die Vereinigung der Generaloberinnen beschloss zudem die Einrichtung einer Kommission, die in drei Jahren Leitlinien erarbeiten soll, um das Phänomen in den Griff zu bekommen. Damit rühren die Generaloberinnen an ein Tabu. Die Lebensbedingungen von Ordensschwestern waren lange Zeit offiziell gar kein Thema. Die Leiterin des Workshops im November war die australische Ordensschwester Maryanne Loughry, eine ausgebildete Psychologin. Loughry sagt: „Die Geschlechterungleichheit ist eines der Grundprobleme.“ Man müsse das gesamte System betrachten, in dem Ordensschwestern tätig seien und nicht nur die Einzelfälle. Die katholische Kirche hat eine strenge Hierarchie. Nonnen sind der Willkür ihrer Vorgesetzten in vielen Fällen schlicht ausgeliefert und stehen ganz unten in der Befehlskette.

„Es ist unerlässlich, dass eine Nonne weiß, was sie verlangen kann und was von ihr verlangt werden kann“, sagt Loughry. Klare Regeln dafür gibt es bisher nicht. Offenbar wagen es viele Ordensschwestern nicht, den Vorgesetzten von ihrer Überlastung zu berichten. Nonnen sind oft nicht nur überarbeitet, sie können von ihren Oberinnen beliebig versetzt werden, sie wissen oft nicht, wie lange sie an einem Ort sein werden oder wann sie Ferien machen können. „Keine Kontrolle über das eigene Leben zu haben, nicht planen zu können, schädigt die mentale Gesundheit“, sagt Loughry. Deshalb seien klare Standards im Hinblick auf Urlaub, Sabbaticals, Bezahlung und Unterbringung notwendig.

Unter Franziskus ist Bewegung in das Thema gekommen. Unlängst ernannte der Papst Francesca Di Giovanni zur Untersekretärin im vatikanischen Staatssekretariat. Erstmals hat damit eine Frau eine Führungsposition in der Regierungszentrale des Papstes inne. Auch der Chef der zuständigen Kongregation im Vatikan, der Brasilianer Joao Braz de Aviz, zeigt sich kooperativ. „In vielen Fällen herrscht schlicht Angst, vor allem unter den Frauen, sie haben Angst vor den Oberinnen“, sagt Braz de Aviz. Wahrer Gehorsam hingegen sei das Gegenteil dieser Haltung: „Es ist notwendig, das zu sagen, was der Herrgott uns innerlich rät.“

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