Wegen Korruptionsskandal unter Druck Verwirrung um Zukunft des ukrainischen Verteidigungsministers Resnikow
Kiew · Der ukrainische Verteidigungsminister Resnikow war nach einer Reihe von Skandalen um Korruption und Geldverschwendung in seinem Ministerium in die Kritik geraten. Am Sonntag wurde ein Ressortwechsel des Politikers verkündet. Doch jetzt wurden die Aussagen wieder revidiert.
Die Zukunft des ukrainischen Verteidigungsministers Olexij Resnikow ist unklar. David Arachamija, ein Vertrauter von Präsident Wolodymyr Selenskyj revidierte am Montag seine Aussagen vom Tag zuvor, dass Resnikow abgesetzt werden solle. Eine Kabinettsumbildung stehe nicht unmittelbar an, schrieb der Fraktionschef von Selenskyjs Partei Diener des Volkes auf dem Messengerdienst Telegram. „Es wird diese Woche keine personellen Änderungen im Verteidigungssektor geben.“ Am Sonntag hatte er noch erklärt, Resnikow solle vom Chef des Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, als Chef des Verteidigungsministeriums abgelöst und Minister für strategische Industrien werden. Wann der Wechsel in Kraft treten solle, ließ er offen.
Eine offizielle Stellungnahme lag nicht vor, Selenskyj äußerte sich zu der Personalie bislang nicht. Resnikow sagte am Sonntag, er sei nicht über einen solchen Schritt informiert worden. Sollte ihm der Posten als Minister für strategische Industrien angeboten werden, werde er ihn ablehnen. Weder Resnikow noch Budanow waren am Montag unmittelbar zu erreichen. Das Verteidigungsministerium reagierte auf eine Anfrage für eine Stellungnahme nicht.
Resnikow steht wegen eines Korruptionsskandals unter Druck. So soll unter anderem das Verteidigungsministerium Lebensmittel für Soldaten zu überhöhten Preisen eingekauft haben. Selenskyj kündigte ein hartes Vorgehen an. Es wurde eine Untersuchung eingeleitet, zahlreiche Politiker - darunter auch ein Stellvertreter Resnikows - verloren ihre Posten. Resnikow selbst wurde öffentlich nicht beschuldigt.
Zwei hochrangige Abgeordnete verwiesen am Montag darauf, dass nach den Regeln in der Ukraine der Verteidigungsminister ein Zivilist sein muss. Das würde gegen den 37-jährigen Militäroffizier Budanow sprechen. Der 56-jährige Resnikow ist eigentlich Anwalt, er übernahm das Amt im November 2021.
„Der Krieg diktiert einen Wechsel der Personalpolitik“, hatte Arachamija am Sonntag erklärt. In Kriegszeiten sollten nicht Politiker die Aufsicht über die Armee haben, sondern Menschen, die sich in den Bereichen Verteidigung oder Sicherheit auskennen.
Die Ukraine rechnet noch diesen Monat mit einer großen, neuen Offensive Russlands. Russische Truppen waren am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert. In der zweiten Jahreshälfte 2022 konnte die Ukraine noch einige Erfolge verbuchen, derzeit kommen die Truppen aber kaum voran. Es würden immer mehr russische Reservisten und Material zusammengezogen, sagte der Gouverneur der Region Luhansk im Osten der Ukraine, Serhij Haidai. Die Offensive würde vorbereitet, dazu bräuchte das russische Militär etwa zehn Tage. „Nach dem 15. Februar ist sie jederzeit zu erwarten.“ Die Ukraine plant ihrerseits eine Gegenoffensive und hofft dazu unter anderem auf die Lieferung von Kampfpanzern aus dem Westen.
Selenskyj warnt vor „symbolhafter Aktion“ russischer Militärs
Angesichts des näher rückenden Jahrestags des russischen Einmarschs in die Ukraine am 24. Februar hat deren Präsident vor einer „symbolhaften Aktion“ der Besatzer gewarnt. Dazu gebe es bereits zahlreiche Berichte und Hinweise, sagte Selenskyj am Sonntag in seiner allabendlichen Videoansprache. Russland wolle sich für die Niederlagen des vergangenen Jahres rächen. „Wir stellen fest, dass der Druck auf verschiedene Frontbereiche und auch im Informationsbereich zugenommen hat.“
Besonders schwierig sei aktuell die Lage in der Region Donezk. „Aber egal, wie schwer es ist und wie groß der Druck ist, wir müssen überleben“, sagte Selenskyj. Die Ukraine müsse jeden Tag und jede Woche nutzen, um die Verteidigungspositionen an der Front sowie die internationale Position des Landes zu stärken.
Derzeit steht die Ukraine vor allem rund um die Stadt Bachmut im Osten des Landes schwer unter Druck. Dort versuchen russische Truppen sowie Angehörige der berüchtigten Söldnertruppe Wagner seit Wochen, die ukrainischen Verteidigungslinien zu durchbrechen. Das Verteidigungsministerium in Moskau meldete, Russland habe in der Region vorteilhaftere Positionen eingenommen.
Bachmut wird nach Einschätzung britischer Militärexperten immer mehr von russischen Truppen eingekreist, wie aus dem dem täglichen Geheimdienst-Update zum Ukraine-Krieg des britischen Verteidigungsministeriums am Sonntag hervorgeht.
Mehrere zivile Opfer bei russischen Angriffen auf Cherson und Charkiw
In der südukrainischen Stadt Cherson sind bei russischen Angriffen am Sonntag nach Angaben aus Kiew mehrere Zivilisten getötet und verwundet worden. Genauere Angaben zu den Opfern machte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht am Abend nicht. Die Stadt sei mindestens 40 Mal aus Raketenwerfern beschossen worden, dabei seien zahlreiche Wohngebäude beschädigt worden. Auch die ostukrainische Stadt Charkiw war demnach Ziel russischer Angriffe aus Mehrfachraketenwerfern. Bei Treffern in einem Wohnhaus seien mindestens fünf Menschen verletzt worden.
Bei dem seit fast einem Jahr andauernden Krieg wird immer wieder auch zivile Infrastruktur getroffen, obwohl Russland behauptet, nur militärische Ziele anzugreifen. Nach UN-Angaben sind seit dem russischen Einmarsch mehr als 7000 Zivilisten getötet worden.
Grünen-Fraktionsvize drängt Partnerstaaten zu Panzer-Lieferungen
Die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger hat die europäischen Partner Deutschlands zu raschem Handeln bei der Lieferung von Kampfpanzern aufgefordert. „Wir haben angesichts der drohenden russischen Großoffensive keine Zeit zu verlieren, um in einem großen europäischen Kraftakt alle Panzersysteme an die Ukraine zu geben, die wir nur irgendwie entbehren können“, sagte sie dem „Tagesspiegel“ (Montag). Das sei im europäischen Interesse.
Die Bundesregierung ringt nach ihrer Entscheidung zur Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine um die Zusagen weiterer Staaten. Nach der politischen Freigabe von Lieferungen sei die geplante Allianz noch nicht komplett, wurde der Deutschen Presse-Agentur am Wochenende aus Regierungskreisen in Berlin erklärt. Allerdings begannen Polen und Kanada mit konkreten Schritten - aus Portugal gab es am Wochenende eine Zusage für die Lieferung von moderneren Leopard 2A6, die auch Deutschland geben will.
Möglicherweise gibt es am Montag Klarheit über das Schicksal des ukrainischen Verteidigungsministers Resnikow. Ein Personalwechsel an der Spitze eines Ministeriums muss von Präsident Selenskyj angeordnet und von der Rada, dem ukrainischen Parlament, abgesegnet werden.