Treffen in Warschau Verhärtete Fronten im Justizstreit der EU mit Polen

Warschau · Seit Dezember läuft das Rechtsstaatlichkeitsverfahren der EU gegen Polen wegen der Justizreformen. Am Montag, beim Besuch von des stellvertretenden Kommissionsvorsitzenden in Warschau, gab es nur dürre Worte. Schon vor der Visite hatte es böses Blut gegeben.

 Frans Timmermans, Vizepräsident der Europäischen Kommission (l.), und der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki gestern in Warschau.

Frans Timmermans, Vizepräsident der Europäischen Kommission (l.), und der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki gestern in Warschau.

Foto: dpa/Alik Keplicz

Es war eine wichtige Pressekonferenz am Montagvormittag im Warschauer Kanzleipalast mit dem polnischen Premierminister Mateusz Morawiecki und dem stellvertretenden EU-Kommissionschef Frans Timmermans. So wichtig, dass keine Fragen erlaubt waren und beide Politiker nach kurzen Statements eilig abrauschten.

Von einem „konstruktiven Dialog“ der fortgesetzt werden sollte, sprachen beide. Doch bedeutend war, was nicht gesagt wurde – dass beide Seiten sich im Streit um die polnischen Justizreformen nicht bewegt hatten. Die EU-Kommission hat im Dezember ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen Polen eingeleitet, da nach ihrer Ansicht die Eingriffe der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) in die Justiz die Gewaltenteilung gefährden. Nachdem die Kontrollinstanzen Verfassungsgericht und Landesjustizrat bereits entmachtet worden sind, geht es nun um das Oberste Gericht.

Dort können vom 3. Juli an alle Richter ab dem 65. Lebensjahr entlassen werden. Das sind etwa 40 Prozent, darunter die Vorsitzende Malgorzata Gersdorf, eine prominente Kritikerin der Regierung. Warschau war jedoch, von kleinen Zugeständnissen abgesehen, nicht bereit, von diesen Änderungen abzusehen.

Der Jurist Timmermans hat Polen allerdings eine Frist gesetzt – wenn es bis zum EU-Ministertreffen am 26. Juni keine Einigung gebe, werde das Rechtsstaatlichkeitsverfahren weitergeführt. Als nächster Punkt stände dann eine Anhörung polnischer Regierungsverantwortlicher an – eine Prozedur, die viele Polen als Attacke auf die „nationale Souveränität“ sehen würden.

Der Besuch des niederländischen EU-Politikers hatte von vornherein unter keinem guten Stern gestanden. Dazu beigetragen hatte auch sein Versprecher, er fahre „nach Moskau, um den Dialog mit der polnischen Regierung weiterzuführen“. Viele rechte Politiker wie Journalisten an der Weichsel haben Timmermans seine Entschuldigung nicht abgenommen – zumal der liberale EU-Parlamentarier Guy Verhofstadt Kaczynski und weitere europäische Rechte auch noch als „Cheerleader Putins“ bezeichnete. Michal Dworczyk, der Kanzleichef des polnischen Premiers, unterstellte Timmermans, er wolle sich durch den Konflikt mit Polen in Brüssel politisch profilieren.

Auf der anderen Seite soll Jean-Claude Juncker, der Vorsitzende der EU-Kommission, eher dazu tendieren, eine Konfrontation mit Polen zu vermeiden. Zu sehr stehe die „europäische Souveränität“ auf dem Spiel angesichts des Brexit und der populistischen Regierung in Italien.

Als prekär gilt allerdings, dass Polen ein Gesetz plant, das erlaubt, polnische Gerichtsurteile via „außerordentlicher Klage“ aufzuheben. Die außerparlamentarische Oppositionsgruppe „Komitee zur Verteidigung der Demokratie“ wollte am Montagabend vor dem Gebäude des Obersten Gerichts gegen die Gesetzesnovelle demonstrieren. Zuvor richtete die Vorsitzende der Organisation, Magdalena Filiks, einen Appell an die europäische Öffentlichkeit gerichtet: „Nun brauchen wir die Solidarität unserer europäischer Schwestern und Brüder.“ Zuvor hatte sie erklärt, dass dank der Polen der Eiserne Vorhang und die Mauer gefallen seien.

(mat)
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