Während des US-Wahlkampfs FBI warnt vor „leicht entzündbarer“ Gewaltbereitschaft in den USA

Washington · Donald Trump hat bei seiner Rede zum Jahrestag der Unterzeichnung der US-Verfassung die Sklaverei sowie den systemischen Rassismus in den USA heruntergespielt. Das FBI zeigt sich derweil besorgt, dass vor der Präsidentschaftswahl gewalttätige Konfrontationen zwischen Linken und Rechten zunehmen könnten.

 Präsident Donald Trump spricht bei einer Kundgebung auf dem Flughafen Central Wisconsin in Mosinee.

Präsident Donald Trump spricht bei einer Kundgebung auf dem Flughafen Central Wisconsin in Mosinee.

Foto: AP/Evan Vucci

US-Präsident Donald Trump hat die historischen Folgen der Sklaverei in Amerika heruntergespielt und Maßnahmen gegen systemischen Rassismus spalterisch genannt. Radikale Demokraten, Medien und andere versuchten, Schulkinder zu indoktrinieren und deren Eltern einzureden, sich für ihr „Weißsein“ schämen zu müssen, sagte Trump in einer Rede am Nationalarchiv in Washington anlässlich des 233. Jahrestags der Unterzeichnung der US-Verfassung am Donnerstag. Bei Amerikas Gründung sei eine „unaufhaltsame Kette von Ereignissen in Gang gekommen, in deren Folge die Sklaverei abgeschafft, Bürgerrechte errungen, Kommunismus und Faschismus bezwungen und die fairste, gleichberechtigste und florierendste Nation in der Menschheitsgeschichte aufgebaut“ worden sei.

Die 246 Jahre der Sklaverei in den USA erwähnte Trump indes nicht - auch nicht die 89 Jahre, in denen sie weiterging, nachdem sich die Kolonien in Nordamerika von England lossagten. Auf den andauernden Kampf gegen Rassismus und Polizeigewalt, gegen die in diesem Jahr in vielen US-Städten monatelang protestiert wurde, ging er auch nicht ein.

Trump kündigte vielmehr an, bald einen Erlass für die Schaffung eines Gremiums unterzeichnen zu wollen, das patriotische Bildung fördern solle. Es soll den Namen „1776 Kommission“ tragen. Das Komitee solle Pädagogen unter anderem dazu ermuntern, Schüler über „das Wunder der amerikanischen Geschichte“ zu lehren. Der Schritt gilt Beobachtern zufolge als Reaktion auf das „1619 Project“ der „New York Times“, einer Serie über den 400. Jahrestag des Beginns der Sklaverei in den USA und die gesellschaftlichen Beiträge von schwarzen Amerikanern. Auf Basis eines preisgekrönten Essays für das Projekt der Zeitung wurde Schulmaterial konzipiert, das das Wissen über Sklaverei mehren soll, laut der „New York Times“ aber nicht die Geschichte umschreiben soll.

„Seit vielen Jahren nun haben Radikale das Schweigen der Amerikaner mit Schwäche verwechselt. Aber sie liegen falsch“, sagte Trump. „Es gibt keine mächtigere Kraft als die Liebe eines Elternteils zu seinen Kindern - und patriotische Mamas und Papas werden verlangen, dass ihre Kinder nicht länger mit hasserfüllten Lügen über dieses Land gefüttert werden. Amerikanische Eltern werden die Indoktrinierung in unseren Schulen, Cancel Culture am Arbeitsplatz, oder die Unterdrückung von traditionellem Glauben, Kultur und Werten im öffentlichen Raum nicht hinnehmen“, ergänzte er. Mit Cancel Culture ist der Boykott von Personen, Gruppen oder Inhalten gemeint, die der Diskriminierung oder des Rassismus bezichtigt werden.

Beobachter werteten Trumps Rede als Versuch, verstärkt bei seiner weißen Wählerbasis zu punkten. Kritiker werfen ihm vor, schon seit langem Kulturkämpfe in Amerika zu befeuern. So verteidigte Trump die Zurschaustellung der Gefechtsflagge der Konföderierten, in der eine historische Verbindung zum Rassismus in den Südstaaten gesehen wird. Auch gegen die von Aktivisten geforderte Beseitigung von Statuen zu Ehren von Aufständischen aus der Zeit des Amerikanischen Bürgerkriegs wandte sich der Präsident.

Seine jüngste Rede deutet darauf hin, dass er seine Rhetorik in den letzten Wochen vor der Wahl verschärfen dürfte. Für seine Wiederwahl ist er weitgehend auf den Rückhalt sozialkonservativer weißer Bürger angewiesen.

Auch das FBI hat sich besorgt gezeigt, dass vor der US-Präsidentschaftswahl die gewalttätigen Konfrontationen zwischen verfeindeten politischen Gruppen zunehmen könnten. Der Direktor der Bundespolizei, Christopher Wray, sagte am Donnerstag in einer Kongressanhörung in Washington, seine Behörde sei beunruhigt über die gewachsenen Spannungen auf den Straßen und Gruppierungen, die Proteste "kapern", um zur Gewalt anzustacheln.

Es gebe ein neues Ausmaß von "leicht entzündbarer" Gewaltbereitschaft, sagte Wray vor dem Ausschuss für Heimatschutz des Repräsentantenhauses. Gruppen von gegensätzlichen politischen Seiten trügen zur "Gefahr der Lage" bei. Das FBI beobachte die Lage genau.

In den vergangenen Monaten ist es in den USA wiederholt zu Konfrontationen zwischen stark rechtsgerichteten Aktivisten und Anti-Rassismus-Demonstranten gekommen. In Kenosha im Bundesstaat Wisconsin wurden im August am Rande der Proteste zwei Menschen erschossen. Als Tatverdächtiger wurde ein 17-jähriger Weißer mit Verbindungen zu erzkonservativen Gruppen festgenommen.

Später im August wurde am Rande einer Anti-Rassismus-Demonstration in Portland im Bundesstaat Oregon ein weißer Anhänger der ultrarechten Gruppe Patriot Prayer erschossen. Der Tatverdächtige wurde seinerseits von der Polizei erschossen. US-Medienberichten zufolge soll es sich um einen 48-jährigen Anhänger der linksgerichteten Antifa-Bewegung gehandelt haben.

Die landesweiten Anti-Rassismus-Proteste waren durch den Tod des Afroamerikaners George Floyd Ende Mai bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis entfacht worden und wurden seither durch weitere Fälle von Polizeigewalt gegen Schwarze befeuert. Die Proteste sind überwiegend friedlich, doch gab es wiederholt gewalttätige Ausschreitungen.

Präsident Donald Trump macht linksextreme "Anarchisten" für die Gewalt am Rande der Proteste verantwortlich. In seiner Kampagne für die Wahl am 3. November setzt sich Trump als Kandidat von "Recht und Ordnung" in Szene.

(özi/dpa/afp)
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