Vor den „Midterms“ US-Präsident Biden ist so unbeliebt wie Trump

Washington · Weniger als drei Wochen vor den Zwischenwahlen zum Kongress am 8. November dreht sich die Stimmung in den USA. Die Republikaner punkten mit der Sorge der Wähler vor Inflation, Einwanderung und Kriminalität. Joe Bidens Beliebtheit hat stark gelitten.

 US-Präsident Joe Biden. Vor den Midterm-Wahlen in den USA verlieren er und die Demokraten an Wählergunst (Agenturfoto).

US-Präsident Joe Biden. Vor den Midterm-Wahlen in den USA verlieren er und die Demokraten an Wählergunst (Agenturfoto).

Foto: dpa/Susan Walsh

Die Preise gehen rauf, die Aktenmärkte runter. Und mit Ihnen steigt der Angst-Level der amerikanischen Wähler. Die erleben an der Tankstelle, im Supermarkt oder Restaurant was die höchste Inflation seit 40 Jahren für den Geldbeutel bedeutet. Gleichzeitig schrumpfen die Altersersparnisse in den Pensionsdepots zusammen, während sich die Hypotheken-Zinsen seit Jahresbeginn auf zuletzt 6,7 Prozent mehr als verdoppelt haben.

Willkommen im "roten" Oktober, mit einer Fülle schlechter Zahlen, die das Gefühl der Amerikaner verstärken, das Land sei auf dem falschen Weg. Knapp zwei von drei Wählern sagen das den Demoskopen in den Umfragen. Demokratische Strategen haben diesen Moment gefürchtet, während die Republikaner darauf setzten.

Die Sorge um die Wirtschaft hat sich in der Schlussrunde des Wahlkampfs vor den "Midterms" als das dominierende Thema dieser Zwischenwahlen erwiesen. Laut einer aktuellen Umfrage der New York Times steht für 44 Prozent der Wähler die Wirtschaft ganz oben auf der Liste. Ein deutlicher Zuwachs gegenüber dem Juli mit 36 Prozent. Und eine Mehrheit traut den Republikanern eher zu, die Wirtschaft wieder ins Lot zu bringen als den Demokraten.

Joe Biden gab diese Woche zusätzliche 15 Millionen Barrel aus der strategischen Ölreserve frei, um die Benzinpreise vor den Wahlen zu stabilisieren. Mit großer Fanfare eröffnete die Regierung ein Online-Portal, auf dem sich Millionen Amerikaner den Erlass von Ausbildungsschulden beantragen können. Und die Steuerbehörde IRS kündigte an, die Bemessungsgrenzen wegen der Inflation großzügig anzupassen.

Nicht genug, die Sorgen der Wähler zu zerstreuen. Die sind insgesamt nicht mit der Arbeit des Präsidenten zufrieden, der mit dem Versprechen angetreten war, nach den turbulenten Jahren mit Donald Trumps im Weißen Haus ein Stück Normalität zurückzubringen. Die Umfragen sehen für Biden Zustimmungswerte um die 40-Prozent-Marke. Das heißt rund 60 Prozent haben eine negative Meinung über den Präsidenten.

Sorge bereitet den demokratischen Wahlstrategen die Intensität, mit der die Wähler Biden ablehnen. 45 Prozent der Befragten in der "New York Times"-Umfrage erklärten, sie seien stark unzufrieden mit dem Präsidenten. Neun von zehn davon wollen deshalb republikanischen Kandidaten bei den Midterms ihre Stimme geben.

Das erklärt, warum Biden im Wahlkampf nicht zu sehen ist. Aber nicht nur. Präsident Trump, der vergleichbar unbeliebt war, hielt im Oktober vor den Midterms 2018 immerhin 26 Großkundgebungen; Biden nicht eine einzige. Wer einen demokratischen Präsident erleben will muss nach Georgia, Nevada, Michigan oder Wisconsin reisen, wo Barack Obama sprechen wird.

Auch die Themen der Demokraten sind in den Hintergrund geraten. Das gilt insbesondere für die Sorge um den Zugang zu straffreien Abtreibungen nach dem Grundsatzurteil des obersten Gerichts vom Juni, das ein halbes Jahrhundert Rechtssprechung über den Haufen geworfen hatte. Die Demokraten profitierten davon politisch durch einen starken Anstieg bei den Frauen, die sich als Wählerinnen registrierten.

Inflation und Rezessionsängste haben auch deren Fokus verschoben. Nur noch fünf Prozent aller Wähler identifizieren Abtreibung als wichtigstes Anliegen. Wobei die Meinungsforscher eine Lücke zwischen den Geschlechtern ausmachen. Während neun Prozent der Frauen in dem Thema ihre Hauptmotivation sehen, ist es nur ein Prozent der Männer.

Floridas Gouverneur Ron DeSantis, der zur Wiederwahl antritt, hat mit seinen umstrittenen Flüchtlingsflügen nach Marthas Vineyard die Krise an der Südgrenze zu Mexiko in den Blick gerückt. "Beide Seiten versuchen ihre Basis zu mobilisieren", erklärt der Politologe Larry Sabato von der University Virginia, die Strategie hinter dem politischen Stunt. "Einwanderung verleiht den Republikanern soviel Energie wie kein anderes Thema."

Psychologisch trägt der Zustrom hunderttausender Flüchtlinge aus Zentral- und Südamerika zu dem Gefühl der Unsicherheit bei, das die Amerikaner wegen der wirtschaftlichen Lage plagt. Mehr als die Hälfte der Wähler glaubt, die Republikaner könnten die Flüchtlingskrise besser unter Kontrolle bekommen.

Aus demselben Grund spielen sie das Thema Kriminalität nach vorn. Umfragen zeigen, dass dies einen Effekt im Senats-Rennen von Wisconsin und Pennsylvania sowie bei den Gouverneurswahlen in New York hat. Der demokratische Stratege Hank Sheinkopf sagt, die Republikaner setzten damit auf das generelle Gefühl von "Chaos- und Unordnung".

Während mit Einwanderung und Verbrechen die eigene Basis mobilisiert wird, dringen die Republikaner bei den Unabhängigen mit ihrer Botschaft zu Inflation und Rezession durch. Die Demoskopen haben in dieser wichtigen Gruppe einen Meinungsumschwung zwischen September und Oktober von dreizehn Punkten ausgemacht. Wobei die Republikaner in diesem Segment nun zehn Punkte vor den Demokraten liegen.

Die Wahl-Prognosen lassen nun eine Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus erwarten, während die Demokraten im Senat weiterhin knapp die Nase vorn haben.

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