Bürger und Konzerne werden ausspioniert USA - Barack Obamas Überwachungsstaat 2.0

Düsseldorf · Bürger und Großkonzerne werden ausspioniert: Es mehren sich Berichte, wonach der US-Präsident nicht nur Telefondaten, sondern auch Informationen von Internet-Riesen und deren Nutzern überwachen lässt. George Orwell lässt grüßen.

Barack Obamas schwierige Reden
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Vieles in den USA erinnert in diesen Tagen an "1984", George Orwells düstere Visionen eines totalitären Überwachungsstaates, die der britische Autor nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu Papier brachte. Gut 65 Jahre später hat der Roman nichts an Aktualität eingebüßt. Im Gegenteil.

Überwachung und Bespitzelung von US-Bürgern und heimischen Unternehmen - im Land der "unbegrenzten Möglichkeiten" hat diese Methode seit geraumer Zeit Hochkonjunktur. Im Kampf gegen den internationalen und inländischen Terrorismus geht Barack Obama in die Offensive. Die Serie von Berichten über angebliche Spionageaktionen der US-Regierung gegen die eigene Bevölkerung reißt nicht ab.

Zugang zu Mails, Fotos und Dokumenten

Nach Informationen der "Washington Post" und der britischen Zeitung "The Guardian" zapfen der US-Geheimdienst NSA und die Bundespolizei FBI direkt die zentralen Rechner von fünf Internet-Firmen an - mit deren Zustimmung. Eines der angeblich beteiligten Unternehmen, Apple, wies das aber postwendend zurück.

Die US-Regierung habe unter anderem Zugang zu Videos, Fotos, E-Mails, Dokumenten und Kontaktdaten, hieß es in den Berichten, die in der Nacht zum Freitag veröffentlicht wurden. Dadurch seien Analysten in der Lage, die Bewegungen und Verbindungen von Personen über längere Zeiträume hinweg zu verfolgen.

Das Programm mit dem Code-Namen PRISM sei streng geheim. Die wenigen Washingtoner Kongressmitglieder, die davon wüssten, seien zu striktem Stillschweigen verpflichtet.

Regierung im Verteidigungsmodus

Die US-Regierung schaltete sogleich um in Verteidigungsmodus: Geheimdienstchef James Clapper nannte die Veröffentlichungen am Donnerstag "verwerflich" und eine mögliche Gefährdung der Sicherheit. Die Fähigkeit der USA, auf Bedrohungen reagieren zu können, könnte langfristig und unumkehrbar geschädigt werden.

Clapper sagte, Medienberichte über die Programme enthielten Ungenauigkeiten und hätten entscheidende Informationen weggelassen. Er werde die Geheimhaltung über einige Details des Telefonprogramms aufheben, damit die US-Bürger über dessen Grenzen informiert würden. Dazu gehöre, dass ein Sondergericht das Programm alle 90 Tage überprüfe. Dieses Gericht untersage den Behörden, wahllos Telefondaten zu durchsuchen. Alle Anfragen würden nur genehmigt, wenn Fakten einen begründeten Verdacht belegten.

Erst am Mittwoch hatte der "Guardian" enthüllt, dass die NSA heimlich Telefondaten von Millionen US-Bürgern sammelt. Das Weiße Haus verteidigte derartige Aktionen, ohne den Zeitungsbericht direkt zu bestätigen. Der Republikaner Mike Rogers, der den Geheimdienst-Ausschuss des Abgeordnetenhauses leitet, sagte, dank der Maßnahme habe in den vergangenen Jahren ein Terrorkomplott vereitelt werden können. Einzelheiten nannte er aber nicht.

Apple weist Vorwürfe zurück

Der "Washington Post" zufolge beteiligen sich die Internet-Firmen Microsoft, Yahoo, Google, Facebook, PalTalk, AOL, Skype, YouTube und Apple an dem Programm PRISM.

Apple erklärte indessen, es habe noch nie von dem Überwachungsprogramm gehört. "Wir geben keiner Regierungsbehörde direkten Zugang zu unseren Rechnern, und jede Regierungsbehörde, die Kundendaten anfordert, muss eine entsprechende Gerichtsanweisung haben", zitierte das "Wall Street Journal" aus einer Stellungnahme des Unternehmens.

Der "Washington Post" zufolge wurde PRISM 2007 ins Leben gerufen. Es habe sich im Laufe der Zeit massiv ausgeweitet. Papiere, die für die täglichen Briefings des Präsidenten vorbereitet würden, stützten sich mittlerweile größtenteils auf Erkenntnisse aus diesem Programm.

Gericht genehmigt Schnüffelei

Die "Washington Post" beruft sich bei ihren Angaben auf eine interne Programm-Präsentation für leitende NSA-Analysten. Dazu gehörten Dia, die der Zeitung zugespielt worden seien. Daraus gehen dem Blatt zufolge auch die Namen der beteiligten Firmen hervor.

Am Mittwoch hatte der "Guardian" berichtet, dass der US-Telekomkonzern Verizon der Nationalen Sicherheitsbehörde NSA detaillierte Informationen über alle inneramerikanischen und internationalen Gespräche Sicherheitsbehörde geben müsse. Ein geheimes Gericht habe die Schnüffelaktion genehmigt.

Die Gerichtsentscheidung beruht offenbar auf dem sogenannten "Patriot Act". Er wurde nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verabschiedet und gibt US-Behörden weitreichende Befugnisse zur Überwachung von Terrorverdächtigen.

"Wichtiges Instrument zum Schutz"

Der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, nannte das Sammeln von Telefondaten unter diesem Gesetz legal. Derartige Aktionen erfolgten unter strikten Regulierungen und Kontrollen seitens des US-Kongresses, Justizministeriums und anderer Stellen. Sie hätten sich als "wichtiges Instrument beim Schutz der Nation vor Terrorbedrohungen erwiesen", sagte Earnest.

Erst vor wenigen Wochen war bekanntgeworden, dass sich das US-Justizministerium heimlich zahlreiche Verbindungsdaten der US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) beschafft hat.

(dpa/ap/nbe/das)
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