Die Konjunktur zieht an USA - das Comeback

Die amerikanische Wirtschaft erholt sich, die Arbeitslosigkeit sinkt. Wenn sich dieser Trend stabilisiert, hat Präsident Obama gute Chancen auf eine Wiederwahl im November.

Forbes 2011: Die mächtigsten Menschen
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Washington Dan Akerson bevorzugte die leise Pose, fast so, als wollte er dem Frieden nicht trauen. Knapp drei Jahre nach der Beinahe-Pleite steht General Motors wieder an der Spitze der Weltrangliste der größten Autohersteller, vor Volkswagen und Toyota. Der Konzernchef aber verzichtete auf große Worte, als die Meldung die Runde machte. Vielmehr beließ es Akerson bei dem lapidaren Hinweis, der Konkurrenzkampf werde ganz sicher so hart bleiben wie ein Boxduell über viele Runden.

In Detroit wissen sie aus leidvoller Erfahrung, wie schnell dem Aufstieg der Abstieg folgen kann. Der US-Präsident dagegen feiert die Statistik als Paradebeispiel für die Wende der amerikanischen Wirtschaft, von der er sich im November die Wiederwahl verspricht. Und Barack Obamas PR-Berater zitieren gern die Parabel vom Sagenvogel Phönix, der verjüngt aus der Asche steigt.

Es ist noch keine drei Jahre her, da konnte "Obama Motors", wie Spötter die angeschlagene Traditionsmarke GM nannten, nur überleben, weil die Regierung sie nicht bankrottgehen ließ. Übrigens gegen den Rat des Republikaners Mitt Romney, der im Sinne des freien Spiels der Marktkräfte auf das Konzept "konstruktiver Zerstörung" setzte.

2011 verkaufte GM über neun Millionen Fahrzeuge, fast acht Prozent mehr als 2010. Ein Indiz für die neue Kauflaune amerikanischer Konsumenten, die, oft bis zur Halskrause verschuldet, nach dem Finanzkrisencrash das Sparen lernten. Heute wächst der US-Markt stärker als der chinesische. "America is back", feiert der Präsident das Automobilwunder, das, wie er hofft, einen nachhaltigen Aufschwung signalisiert.

Noch vor zwölf Monaten verhagelten beharrlich schlechte Arbeitslosenzahlen die Stimmung. Im Sommer trieb der bizarre parlamentarische Streit um die Anhebung des Schuldenlimits Wasser auf die Mühlen der Pessimisten. Und jetzt? Die Arbeitslosigkeit sinkt zwar langsam, aber sie sinkt, von 9,4 Prozent im Januar 2011 auf 8,5 Prozent ein Jahr darauf. Am Immobilienmarkt, wo das Platzen einer Spekulationsblase das Kartenhaus windiger Kredite einstürzen ließ, sehen Fachleute den Boden bei den Preisen erreicht. Infolge anziehender Nachfrage erwacht auch die Baubranche zu neuem Leben. Der Baumaschinenhersteller Caterpillar verzeichnet erstmals seit 2004 reales Wachstum, "das stärkste Wachstum, seit Harry Truman Präsident war", wie der Caterpillar-Manager Mike De Walt hinzufügt. Boeing wähnt sich auf bestem Wege, den Rivalen Airbus vom ersten Platz zu verdrängen.

Es sind Zeichen der Hoffnung, mehr nicht. Falls die Schuldenkrise Europas den amerikanischen Patienten nicht erneut ansteckt, so der Kernsatz, wird er weiter genesen, vielleicht sogar rasch. In den Diskussionsrunden liberaler Think-Tanks klingt es zugespitzt so: Nur wenn Angela Merkel und Nicolas Sarkozy bei der Euro-Rettung versagen, muss sich Obama mit dem Gedanken vertraut machen, dass er nur für eine Amtszeit regiert. Ansonsten hätte er gute Chancen auf weitere vier Jahre.

Ben Bernanke, der Notenbankchef, beurteilt die Lage vorsichtiger. Vor wenigen Tagen korrigierte die Federal Reserve ihre Wachstumserwartungen leicht nach unten, auf 2,2 bis 2,7 Prozent im Jahr 2012 und eine Spanne zwischen 2,8 und 3,2 Prozent im Jahr 2013. Erst in 24 Monaten sieht sie die Arbeitslosigkeit unter die Acht-Prozent-Marke fallen, was noch immer doppelt so hoch wäre wie im Boom der späten 90er Jahre. Im Übrigen ist Bernanke drauf und dran, den japanischen Nullzinsrekord zu brechen. In Nippon lag der Leitzins von 2001 bis 2006 praktisch bei null, länger als in jeder anderen großen Volkswirtschaft. Die US-Notenbank Fed, die ihn Ende 2008 auf dieses Niveau senkte, will ihn nach jetziger Prognose bis Ende 2014 dort lassen. Ein Zeichen dafür, wie brüchig die Konjunktur ist.

Für Ernüchterung sorgt obendrein eine aktuelle Studie der National Science Foundation, der nationalen Wissenschaftsstiftung. Demnach verlor die amerikanische Wirtschaft in der vorigen Dekade fast ein Drittel ihrer Hightech-Jobs ans Ausland. "Nicht nur chinesische Niedriglöhne sind schuld am Niedergang des verarbeitenden Gewerbes", schreiben die Autoren. "Ohne Spitzenindustrien können wir nicht der Weltmotor der Innovation bleiben."

Nun will das Kabinett nachhelfen bei der Trendwende, durch Steuernachlässe für Unternehmen, die Pittsburgh, Phoenix oder Philadelphia wieder den Vorzug vor Standorten in Übersee geben. Stabilität, gestützt durch ein starkes verarbeitendes Gewerbe, soll an die Stelle der wilden Zyklen von Boom und Crash treten. Langfristigeres Denken soll die Casinomentalität ersetzen. Hehre Ziele, aber sind sie auch realistisch? Boom und Crash gehören schließlich zur Wirtschaftsgeschichte des Landes wie das Säulenportal der New Yorker Börse oder die legendären Bastlergaragen im Silicon Valley.

Jedenfalls ist es kein Zufall, dass Obama in seiner Rede zur Lage der Nation eine Geschichte über die Rückkehr kühl rechnender Manager aus Asien erzählte. Nichts über Hightech, es ging um Master Lock, einen Hersteller von Vorhängeschlössern und Schließfächern, gegründet 1921 in Milwaukee. Eine Kombination aus höheren Transportkosten und steigenden Löhnen in China veranlassten die Manager, einen Teil der Fertigung aus dem Reich der Mitte zurück an den Michigansee zu verlagern. Erstmals seit 15 Jahren produziert das Master-Lock-Werk in Milwaukee wieder mit voller Kapazität. Fürs Weiße Haus ein schöner Anfang.

(RP/pst/csr)
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