Fragen und Antworten zur US-Wahl Warum die Auszählung so lang dauert und wie Trump auf eine Niederlage reagieren würde

Washington · Noch wird ausgezählt und noch ist nichts entschieden. Die Waage aber neigt sich zum demokratischen Herausforderer Joe Biden. Allerdings ist noch unklar, wie sich US-Präsident Donald Trump in seine drohende Niederlage fügt. Wir klären die wichtigsten Fragen zum Stand der US-Wahl.

 Einer der vielen Wahlhelfer in den USA.

Einer der vielen Wahlhelfer in den USA.

Foto: dpa/Matt Slocum

Vor wenigen Stunden hat Herausforderer Joe Biden die Führung im Swing State Georgia übernommen, obwohl der für die Republikaner vorhergesagt war. Damit hätte er 269 der 270 notwendigen Wahlmänner auf sich vereinigt. Er bräuchte dann entweder den Sieg in Nevada oder Arizona, wo er gleichfalls nach Auszählung von fast 90 Prozent der Stimmen vorne liegt, um das Rennen für sich zu entscheiden.

Wie ist jetzt der genaue Stand?

Der Demokrat Joe Biden hat nach Auskunft des Wahlforscher-Konsortiums N.E.P Edison, in dem alle wichtigen Institute zusammengefasst sind, bislang 253 Wahlmänner gewonnen. Amtsinhaber Donald Trump kommt danach auf lediglich 213 Stimmen in diesem Wahlgremium. Zur Mehrheit sind 270 Wahlmänner nötig, in sechs Staaten wird noch ausgezählt. Am weitesten ist die Auswertung im Südstaat Georgia gediehen. Dort liegt Biden hauchdünn vor Trump, nachdem mehr als 98 Prozent der Stimmen nun bekannt sind. In Nevada und Arizona liegt der Demokrat ebenfalls vorne, und in Pennsylvania, wo noch die Briefwahlstimmen ausgezählt werden, könnte es gleichfalls am Ende für Biden ausgehen. Denn bei den Briefwählern liegt der Herausforderer bislang mit mehr als einer Zwei-Drittel-Mehrheit vor dem Amtsinhaber. Nach jetzigem Stand wäre alles andere als ein Sieg Bidens sehr überraschend. Es könnte durchaus sein, dass er am Ende doch klarer vorne liegt als in der Wahlnacht noch vermutet.

Warum dauert die Auszählung so lange?

Das amerikanische Wahlrecht ist kompliziert. Jeder der 50 wahlberechtigten Bundesstaaten hat seine eigenen Regeln. So dürfen etwa in Pennsylvania die Wähler wegen der Corona-Pandemie auch nach dem offiziellen Wahltag noch ihre Stimme abgeben. Das ist völlig legal. Die Wahlforschungsinstitute können den endgültigen Ausgang des Urnengangs erst richtig angeben, wenn in allen Bundesstaaten das Ergebnis feststeht. Denn diese bestimmen die Wahlmänner, die dann im Dezember endgültig den Präsidenten wählen. Das Wahlrecht stammt aus dem 19. Jahrhundert, als die Kommunikationsmöglichkeiten nicht nur in den Vereinigten Staaten deutlich begrenzt waren. Dass es länger dauert, ist übrigens nicht ungewöhnlich. Auch bei der heiß umstrittenen Wahl im Jahr 2000 zwischen George W. Bush und Al Gore dauerte die Auszählung mehrere Tage. Am Ende entschied das oberste Gericht der USA, dass nicht nochmal nachgezählt wird.

Amtsinhaber Trump sieht sich als Sieger. Gibt es dafür irgendeine Rechtfertigung?

Präsident Trump hat wiederholt deutlich gemacht, dass er sich nicht an rechtsstaatliche Regeln und schon gar nicht an demokratische Gepflogenheiten hält. Das macht auch einen Teil seines Rebellen-Images aus. Trotzdem steht es ihm frei, sich als Sieger zu sehen. Dass er zugleich den Demokraten Wahlbetrug vorwirft und dafür keinerlei Belege bringt, zeigt seine Haltung zu einem fairen Wahlprozess. Es würde den Regeln entsprechen zu warten, bis alle Stimmen ausgezählt sind. Dann kann Trump natürlich die Wahl vor den Gerichten der Bundesstaaten anfechten und gegebenenfalls auch in Berufung bis vor den obersten Gerichtshof, den Supreme Court, gehen. Der Amtsinhaber will stattdessen die Auszählung stoppen – in den Staaten, in denen Biden vorne liegt. Das ist ein durchschaubares Spiel mit dem Feuer und völlig undemokratisch. In Wildwest-Manier sieht sich Trump allerdings im Vorteil, wenn er vor der endgültigen Auszählung der Stimmen seine Anhänger auf die Betrugs-Masche einstimmt. In Wirklichkeit weiß er, dass er die Wahl wahrscheinlich verliert.

Wie reagieren die Gerichte?

In Michigan, einem Bundesstaat, in dem die Mehrheit von den Republikanern zu den Demokraten wechselte, wies eine Richterin den Antrag des Trump-Teams auf einen Stopp der Auszählung ab. In Georgia seien angeblich Briefwahlstimmen zu spät eingegangen, argumentierten die Anwälte des Präsidenten. Auch hier schmetterte ein Richter die Vorwürfe als haltlos ab. In anderen Staaten wie Nevada und Wisconsin, in denen die Entscheidung knapp sein dürfte, haben Rechtsvertreter des Trump-Lagers Klage eingereicht. Grundsätzlich sind in einem Rechtsstaat Klagen gegen das Wahlergebnis zulässig. Die Gerichte prüfen dann und entscheiden. Das ist in den USA so wie in anderen demokratischen Staaten auch. Es ist auch durchaus möglich, dass sich der Supreme Court, das oberste Gericht, mit den Klagen befasst. Einige Richter des Gremiums, in denen das konservative Lager mit sechs zu drei Stimmen eine klare Mehrheit hat, haben auch schon davon gesprochen, dass ein Einspruch gegen die Wahl bei ihnen landen könnte. Die Wahlbeobachter der OSZE, jenem Gremium der weltweiten sicherheitspolitischen Zusammenarbeit, sehen bislang keinerlei Anzeichen für Wahlbetrug oder -manipulation.

Unterstützen die Republikaner Trump weiterhin?

Hier gibt es erste deutliche Absetzbewegungen. Der mächtigste Republikaner nach Trump, der Mehrheitsführer der roten Partei im Senat, Mitch McConnell war bislang ein treuer Gefolgsmann Trumps. Jetzt mahnt er an, die Auszählung zu Ende zu führen, bevor über Klagen nachgedacht wird. Einen Stopp des Vorgangs lehnt er klar ab. Das ist ein Schlag für den Präsidenten. Auch andere einflussreiche Parteigänger wie Lisa Murkowski, die Senatorin aus Alaska, und Marco Rubio, Senator aus dem Swing State Florida, fordern den Präsidenten auf, die Wahl auszuzählen. Das sei kein Betrug, meint etwa Murkowski. Andere wie der Gouverneur von Maryland, der Republikaner Larry Hogan, finden die Vorwürfe des Präsidenten „ungeheuerlich“. Allerdings ist Hogan ein innerparteilicher Gegner Trumps, der sogar gegen ihn kandidieren wollte. Vizepräsident Michael Pence steht noch loyal zu seinem Präsidenten, aber übernimmt nicht seine Vorwürfe.

Wird Trump bewaffnete extreme Gruppen aufrufen, die Wahl-Institutionen zu stürmen?

Ganz auszuschließen ist das nicht. Trump hat immer eine ambivalente Haltung zu rechtsextremen Gruppen eingenommen – wie etwa bei den Ausschreitungen in Charlottesville oder seinen Bemerkungen über die paramilitärische selbsternannte Miliz der Proud Boys. Allerdings wird er wahrscheinlich nicht offen zu Gewalt ausrufen. Er braucht schließlich eine Rückzugsmöglichkeit und muss auch mit Prozessen nach dem Ende seiner Amtszeit rechnen. Manche seiner Anhänger bringen bereits ein Comeback des Präsidenten bei der nächsten Wahl 2024 ins Spiel.

Wird Trump bei einer Niederlage das Weiße Haus verlassen?

Wenn die Wahl endgültig ausgezählt ist und die Gerichte den Sieg Joe Bidens nicht kassieren, ist es für Donald Trump vorbei. Er wird sich als unrechtmäßiger Verlierer der Wahl darstellen und alle möglichen Gründe für seine Niederlage anführen. Aber mit Gewalt wird er wohl nicht aus dem Weißen Haus geführt. Den Mythos des Wahlbetrugs wird er aber auch nach einer Niederlage aufrechterhalten. Und wegen des knappen Ergebnisses wird er dafür auch viel Unterstützung erhalten. Denn seine Wähler stehen zu ihm, weil sie es zum großen Teil gut finden, dass er so ist, wie er ist.

Wie reagieren die Medien auf die Manöver der Präsidenten?

Noch hält sein Haussender „Fox News“ zu Donald Trump. Er hat auch dessen Pressekonferenz am Donnerstag, in dem der Präsident seine Betrugsvorwürfe noch einmal wiederholte, kommentarlos gesendet. Allerdings pflichtet selbst Fox News den Behauptungen Trumps nicht bei, sondern befürwortet eine weitere Auszählung. Die nationalen Sender CBS, CNBC und MSNBC, die eher zu seinen Gegnern zählen, hatten das zweite Statement des Präsidenten unterbrochen und die Unterstellungen Trumps korrigiert. Der Nachrichtensender CNN brachte die volle Rede und unterzog Trumps Behauptungen danach einer kritischen Prüfung. Seine Fälschungsvorwürfe wurden dabei von Experten und Moderatoren zurückgewiesen.

Wie sieht der Zeitplan bis zur Amtseinführung des neuen Präsidenten aus?

Die Bundesstaaten müssen bis zum 8. Dezember ihre Ergebnisse beglaubigen lassen und in Washington einreichen. Bis dahin sind auch alle rechtlichen Fragen zu klären. Die Frist wird als „sicherer Hafen“ (safe harbor) bezeichnet. Danach tagt am 14. Dezember das Wahlmännerkollegium mit seinen 538 Mitgliedern und stimmt über die Wahl des neuen Präsident ab. Da sie das Votum in ihren Heimatstaaten abbilden, ist das ein formaler Akt, dessen Ergebnis von vorne herein feststeht. Schließlich wird das Votum am 6. Januar offiziell im Kongress verkündet. Am 20. Januar erfolgt dann die feierliche Amtseinführung, wenn die Corona-Krise das zulässt.

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