US-Wahlkampf geht in die heiße Phase Obama sucht die Nähe zum Volk

Düsseldorf/Washington · Knapp vier Monate vor der Wahl schaltet der US-Präsident auf Attacke. Keine Rede mehr von Hoffnung und Wandel – jetzt geht es nur noch gegen den Rivalen Mitt Romney, der als eiskalter Kapitalist hingestellt wird. In der Pose des zornigen Populisten tut sich Obama allerdings sichtlich schwer.

Amerika steht vor einer Richtungswahl
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Knapp vier Monate vor der Wahl schaltet der US-Präsident auf Attacke. Keine Rede mehr von Hoffnung und Wandel — jetzt geht es nur noch gegen den Rivalen Mitt Romney, der als eiskalter Kapitalist hingestellt wird. In der Pose des zornigen Populisten tut sich Obama allerdings sichtlich schwer.

Clifton Jenny Andelman kann es nicht mehr hören. Wie lange Mitt Romney Chef bei Bain Capital war, bis 1999 oder 2002. Ob er die Investmentfirma noch leitete, als er schon in Salt Lake City die Olympischen Winterspiele organisierte, ob es folglich noch auf seine Kappe ging, dass Bain in einem Schwung Tausende Arbeitsplätze nach Indien, China und Mexiko auslagern ließ. "Es ist mir egal", sagt Jenny. "Für mein Leben hat es nicht die geringste Bedeutung."

Ihr Mann Robert, mit dem die Mittvierzigerin eine kleine Textildruckerei betreibt, winkt nur genervt ab. "Hör mal, Romney erzählt bloß, was für ein Versager der Präsident ist. Und der Präsident tut zu wenig, um eine positive Botschaft rüberzubringen." Wem die Sympathien der Andelmans gelten, lässt sich schon an ihren marineblauen T-Shirts ablesen. "Small business owners for Obama" steht auf dem Stoff: "Kleinunternehmer für Obama". Von Begeisterung ist allerdings wenig zu spüren. "2008 ging es noch ums große Ganze", meint Robert. "Diesmal ist alles ein bisschen sehr kleinkariert."

Clifton, eine Kleinstadt in Virginia. In der Turnhalle der Centreville High School braucht Barack Obama zehn Minuten Anlauf, dann ist er bei dem Thema, das derzeit seinen Wahlkampf bestimmt: Romney, die Heuschrecke. Romney, der Spezialist für Steuerschlupflöcher. Romney, der eiskalte Kapitalist, der Unternehmen veranlasste, in Baltimore oder Cleveland massenhaft Stellen zu streichen und an Billigstandorte abzuwandern. "Mein Gegner hatte klare Vorstellungen, als unsere Autoindustrie vor dem Kollaps stand. Lasst Detroit bankrottgehen, das war sein Rezept. Erinnert ihr euch?"

Obama als Volksredner

Angriffslustig übers Pult gebeugt, die Stimme künstlich heiser, Grimm im Gesicht, gibt der frühere Juraprofessor den zornigen Volksredner. Es ist nicht sein Stil, nicht seine Pose. Man merkt, wie er sich anstrengen muss, um den Verstellungsakt halbwegs glaubhaft zu spielen. Aber Obama wäre nicht Obama, würde er nicht auch ein paar gute Geschichten erzählen.

Eine handelt von einer Urlaubsfahrt, die ihn als Elfjährigen quer durch die USA führte, begleitet von seiner Oma, seiner Mutter und einer Halbschwester. Unterwegs waren sie meist in Greyhound-Überlandbussen, und wenn es in den Kettenmotels, in denen sie abstiegen, ein Schwimmbecken gab, war es ein echter Höhepunkt, "selbst wenn der Pool kaum größer war als eine Pfütze". Die Zuhörer lachen, solche Herbergen kennen sie.

Am Ende aber geht es wieder nur um den Kontrast zu Romney, dem Unternehmersohn, privilegiert seit seiner Geburt. Der Republikaner erholt sich gerade am Lake Winnipesaukee, in den Bergen New Hampshires, wo er ein stattliches Anwesen sein Eigen nennt. Neulich ließ er sich in Ufernähe auf einem schnittigen Rennboot fotografieren, breit lächelnd. Unangemessen sorglos lächelnd, wie seine Kritiker fanden. "Out of touch" — ein Mensch von der Sonnenseite des Lebens, der die Normalverbraucher mit ihren Niedriglöhnen, ihren zwei Jobs, ihren Schuldenbergen, ihren gepfändeten Häuschen schlicht nicht versteht: So wurde das Motiv interpretiert. Eine Steilvorlage für Obama, der prompt erzählt, dass er fast 40 war, als er seine Studentenkredite endlich abgestottert hatte.

Keine Rede mehr von "Hope" und "Change"

Vor vier Jahren waren "Hope" und "Change" die Schlüsselvokabeln. In Clifton fallen die Worte "Hoffnung" und "Wandel" kein einziges Mal. Auch seine dreieinhalb Amtsjahre streift der Präsident nur am Rande. Im Mittelpunkt steht die Warnung vor der Alternative, dem Einzug eines egoistischen Geldjongleurs ins Weiße Haus.

Der neueste Werbespot zeigt den Rivalen beim Singen, im Januar in Florida, wo er in einer Kolonie betuchter Rentner "America the Beautiful" anstimmt. Untermalt von den patriotischen Klängen, flimmert die Tristesse leerer Fabrikgebäude über die Mattscheibe, gefolgt von den Karibikstränden der Cayman Islands und einer idyllischen Bootsszene samt Schweizer Flagge. Nach Recherchen des Magazins "Vanity Fair" hat Romney etwa 30 Millionen Dollar, schätzungsweise ein Achtel seines Vermögens, in Bain-Fonds im Steuerparadies der Caymans geparkt. In der Schweiz soll er drei Millionen Dollar angelegt haben, bevor er das Konto 2010 auflösen ließ, offenbar aus politischen Gründen.

"Ist mir alles egal", sagt Aaron Harvey, ein Wirtschaftsberater, der draußen an der Union Mill Road auf den Moment wartet, wenn die präsidiale Autokolonne davonrauscht. "Wir sind in Amerika. Hier nimmt dir keiner übel, dass du Erfolg hast." Dann schnappt er sich ein Megafon, er will dem Mann in der schwarzen Limousine aufgebracht zuschreien, dass er unamerikanische Neiddebatten anzettle. "Noch mal vier Jahre", ruft im selben Moment eine Frau, die Obama für weitere vier Jahre im Weißen Haus sehen möchte. Sie tritt so dicht an Harvey heran, dass sie beide ins selbe Megafon brüllen — und man überhaupt nichts mehr versteht.

(RP/felt/sap)
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