Republikaner-Vorwahlen in Iowa Newt Gingrich - abgezockter Provokateur

Windham · An diesem Dienstag beginnen im US-Staat Iowa die Vorwahlen der Republikaner für ihren Präsidentschaftskandidaten. Es ist der Auftakt zu einem monatelangen Bewerbungsmarathon. Als konservativer Hoffnungsträger gilt Newt Gingrich. Zuletzt hat sich das Blatt zu seinen Gunsten gewendet.

Newt Gingrich - ausgebuffter Polit-Profi
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Es sind die Bücher. Sobald Newt Gingrich herabsteigt von der Bühne, stürmen Autogrammjäger auf ihn zu, um dicke Wälzer signieren zu lassen. Seine Werke. Bände mit patriotischen Titeln wie "A Nation Like No Other" ("Eine Nation wie keine andere"). Im Laufe der Jahre hat der Mann mit dem dichten weißen Haar mehr als zwanzig Bücher geschrieben, nicht nur politische Literatur, sondern auch Science-Fiction-Romane. Er wirkt geschmeichelt, als ihm ein Fotografierender höflich zuruft: "Professor Gingrich, bitte lächeln für die Kamera!"

Markenzeichen: die provozierende These

Gingrich gibt gern den Akademiker. An einem College in Georgia hat er für eine Weile Geschichte gelehrt, bevor er nach Washington ging und als Abgeordneter Karriere machte, wobei er die Republikaner 1994 erstmals nach 40 Jahren zur Mehrheit im Repräsentantenhaus führte. Allerdings fehlt es nicht an Gelehrten, die an der Tiefe seines historischen Wissens zweifeln.

Sein Markenzeichen ist die provozierende These. Über die Palästinenser urteilte er neulich, sie seien nur ein "erfundenes Volk". Barack Obama stempelte er in giftigem Ton zum Außenseiter, dem die amerikanische Seele fremd bleiben müsse. Wahrscheinlich könne man ihn nur verstehen, wenn man "kenianisches antikoloniales Verhalten" verstehe.

In der Lewinskiy-Affäre wollte er Clinton vorführen

Für Elaine Sweeney, die in die Highschool der Kleinstadt Windham gekommen ist, um Gingrich reden zu hören, stehen andere Dinge an erster Stelle: die inneren Werte des Kandidaten. "Kann ja sein, dass er sich geändert hat", sagt die Lehrerin zurückhaltend und spielt auf das turbulente Privatleben des 68-Jährigen an.

Als Bill Clinton wegen der Sexaffäre mit Monica Lewinsky am Pranger stand, gehörte Gingrich zu denen, die am kompromisslosesten auf die Amtsenthebung des damaligen Präsidenten drangen. Obwohl er seine zweite Frau zur selben Zeit mit einer Assistentin namens Callista Bisek betrog. Obwohl er sich von der ersten, seiner früheren Geometrielehrerin, getrennt hatte, als sie nach einer Krebsoperation aus dem Krankenhaus kam.

"Langweilig ist er ja nie"

Heute begleitet ihn die blonde Callista, 22 Jahre jünger als er, zu nahezu jedem Wahlkampftermin. Und Elaine Sweeney findet, dass auch Newt Gingrich ein Recht auf Nachsicht hat, bei aller Skepsis: "Langweilig ist er ja nie."

Im Sommer, als er chancenlos schien, wurde er verspottet, weil er beim Juwelier Tiffany & Co Schulden von einer halben Million Dollar gehabt haben soll. Kurz vor den am Dienstag beginnenden Vorwahlen im US-Bundesstaat Iowa ist er auf einmal der Favorit jener Konservativen, die auf eine Alternative zu Mitt Romney setzen. Zum Sieg reichen wird es dort aller Voraussicht nach nicht. In den Umfragen lagen zuletzt Mitt Romney, Ron Paul und Rick Santorum vorne. Abschreiben aber darf man Gingrich nicht.

Auf Augenhöhe mit Obama

Denn er hat ganz besondere Qualitäten in die Waagschale zu werfen. Zu verdanken hat Gingrich sein Comeback seinem ausgeprägten Talent, im Scheinwerferlicht der TV-Diskussionen, wenn bei anderen die Nerven flattern, jederzeit schlagfertige Antworten zu geben. Draufzuhauen und dabei souverän zu lächeln.

So ein Routinier hitziger Wortgefechte, glaubt die republikanische Basis, kann vielleicht auch einem glänzenden Redner wie Obama das Wasser reichen. Zumal alle konservativen Lieblinge der Vorwochen serienweise vor laufender Kamera versagten, ganz egal ob Michele Bachmann, Rick Perry oder Herman Cain.

Hämisches Kichern

Inhaltlich bietet Gingrich einen rigorosen Sparkurs und tiefe soziale Einschnitte, um den Schuldenberg abzutragen. Bei der wachsenden Wählerschicht der Hispanics versucht er zu punkten, indem er sich vage für eine Einwanderungsreform ausspricht, die Millionen illegaler Immigranten aus der rechtlichen Grauzone herausholen soll. Und wie alle Präsidentschaftsanwärter spielt er den kühnen Ritter, der die alten Seilschaften Washingtons Hieb für Hieb zu zerschlagen gedenkt.

"Ich bewerbe mich als Bürger, nicht als normaler Politiker", ruft er in Windham — was einige in den hinteren Reihen mit hämischem Kichern quittieren. Gingrich gilt als Prototyp des vernetzten Insiders. Nachdem er das Parlament verlassen hatte, verdiente er sich als Lobbyist eine goldene Nase. Allein von der Hypothekenbank Freddie Mac kassierte er 1,6 Millionen Dollar an Beraterhonoraren. Ein heikles Kapitel, geht es doch um eine steuergestützte Bank, die maßgeblichen Anteil an der 2008 geplatzten US-Immobilienblase hatte.

Allein deshalb halten Kritiker Gingrich für einen falschen Propheten, der einen schlanken Staat predigt, während er sich auf Kosten des Steuerzahlers bereichert. Seine Antwort: Er habe die Bank nur in sehr spezieller Rolle beraten, "nur als Historiker".

(RP/pst/das/rm)
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