US-Kongresswahlen Stresstest für Donald Trump

Washington · In den USA laufen die Kongresswahlen. Sie sind traditionell auch eine Abrechnung mit der Regierung. Für Donald Trump könnte es ungemütlich werden.

 US-Präsident Donald Trump bei einem Wahlkampfauftritt am Montag.

US-Präsident Donald Trump bei einem Wahlkampfauftritt am Montag.

Foto: AFP/JIM WATSON

Auf der Zielgeraden haben sie noch einmal alle Kräfte mobilisiert, die beiden Männer, deren Namen auf keinem Stimmzettel stehen und um die sich im Wahlkampffinale dennoch fast alles dreht, so dass sie von Bühne zu Bühne hetzen.

„Ich habe gesehen, wie sie diesen wunderbaren Stacheldraht an unserer Grenze ausgerollt haben“, rief Donald Trump auf einer Bühne in Florida, nachdem er einmal mehr vor einer „Karawane“ von Flüchtlingen aus Mittelamerika gewarnt hatte. „Stacheldraht, richtig genutzt, kann ein wunderschöner Anblick sein.“

Barack Obama, der sich fast zwei Jahre lang zurückgehalten hatte mit Kritik an seinem Nachfolger, nahm bei einem Auftritt in Indiana dann doch kein Blatt mehr vor den Mund. „Was wir noch nie erlebt haben, solange ich zurückdenken kann, sind Politiker, die offenkundig, wiederholt, frech und unverschämt lügen. Indem sie Sachen einfach erfinden.“ Da versuche man den Leuten allen Ernstes einzureden, die größte Gefahr für Amerika bestehe in einem Treck armer, gebrochener, hungriger Menschen, der noch tausend Meilen zurückzulegen habe. Weil es um das Selbstverständnis des Landes gehe, mahnte der frühere Präsident, sei diese Wahl so ungeheuer wichtig.

In jedem Fall ist sie ein aufschlussreicher Test. Es ist das erste Mal, dass Trumps Amtsführung von den amerikanischen Wählern an den Urnen beurteilt wird und nicht mithilfe von Beliebtheitskurven. Beim Kongressvotum entscheidet sich nicht nur, ob er ungebremst weiterregieren kann, ohne dass die Legislative in der Lage wäre, ihm in die Parade zu fahren. Es entscheidet sich auch, ob er seine Vision von Amerika, eines Amerikas, das dem Rest der Welt mit egoistischer Härte begegnet, noch rabiater als bisher verfolgen kann. Oder ob er gestoppt wird, der Rückzug in die nationalistische Wagenburg.

Erhalten die Republikaner keinen Dämpfer, dürfte sich der Präsident glänzend bestätigt fühlen, auch in seiner Rhetorik. Lassen sie Federn, werden sie beginnen, nach Alternativen zu suchen, sowohl nach personellen zu Trump als auch nach inhaltlichen. Bislang war die große Mehrheit der Konservativen nur allzu bereit, sich dem Mann zu fügen, dessen Kandidatur zu verhindern sich die Parteigranden einst geschworen hatten. Das kann sich ändern, sollten die Wähler signalisieren, dass sie nach dem ur-amerikanischen Prinzip der „Checks and Balances“ ein Parlament wollen, das ein bremsendes, einhegendes Gegengewicht zur amtierenden Regierung bildet.

Die Demokraten, das ist die Voraussetzung, müssten netto 23 Mandate im Repräsentantenhaus hinzugewinnen. Dazu müssen sie Anhänger mobilisieren, die bei Midtermwahlen häufig zu Hause bleiben, allen voran die Jüngeren und die Hispanics. Sie müssen im Speckgürtel um die Großstädte punkten, in eigentlich konservativem Milieu, wo die Frauen der weißen Mittelschicht mit einem Staatschef hadern, für den Lärm und Lüge das Normale sind. Zudem dürfen sie im Rust Belt, wo Trump im Duell gegen Hillary Clinton einen Nerv traf, keine Sitze verlieren.

Der Versuch, den Republikanern auch die Mehrheit im Senat abzunehmen, scheint indes nahezu aussichtslos. „Five Thirty Eight“, die Website des prominenten Statistikers Nate Silver, beziffert die Chancen mit 15 Prozent, während sie eine demokratische Mehrheit im Abgeordnetenhaus zu 85 Prozent für wahrscheinlich hält.

Falls es tatsächlich so kommt – und Prognosen sind spätestens seit der Überraschung des Novembers 2016 mit dickem Fragezeichen versehen, würde es bedeuten, dass die blaue Welle, die Metapher für das Comeback der Demokraten, nur zu einem Teilerfolg führen würde. Dann bekäme die Opposition zwar die Kontrolle über die Ausschüsse im House of Representatives. Sie könnte Untersuchungen einleiten, die Trump in Verlegenheit bringen, etwa dann, wenn sie Interessenkonflikte zwischen Geschäftsimperium und politischem Amt unter die Lupe nimmt.

Den Präsidenten seines Amtes zu entheben, davon könnte sie allerdings weiter nur träumen. Dazu bedarf es einer Zweidrittelmehrheit der Senatoren. Robert Mueller, der Sonderermittler der Russlandaffäre, müsste schon eine Bombe platzen lassen, um das Szenario eines erfolgreichen Impeachment-Verfahrens zu einem realistischen werden zu lassen. Und: Es ist der Senat, nicht das Repräsentantenhaus, der Kandidaten für Schlüsselposten zu bestätigen hat, sei es im Kabinett oder am Obersten Gericht.

Die Demokraten stehen nach dem Votum womöglich vor einer Richtungsentscheidung. Linke gegen Moderate. Oder, um es mit Symbolfiguren zu sagen: Alexandria Ocasio-Cortez, die 29-jährige New Yorkerin, die als jüngste Frau der US-Geschichte ins Abgeordnetenhaus einziehen dürfte, gegen Conor Lamb, einen Ex-Soldaten der Marineinfanterie, der in der Nähe von Pittsburgh ein Mandat zu verteidigen hat und unbeirrt die politische Mitte besetzt.

So hell Ocasio-Cortez‘ Stern auch strahlt, meist sind es doch Gemäßigte wie Lamb, die für die Demokraten ins Rennen gehen. Holen die Blauen die Majorität in der Abgeordnetenkammer, werden die Moderaten im Aufwind segeln. Scheitern sie bei diesem Urnengang, könnte nach heftiger Debatte ein Linksruck die Folge sein. Vielleicht zu weit nach links, um 2020 die Präsidentschaftswahl gewinnen zu können.

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