Europa rückt in die zweite Reihe Clintons erste Mission

Washington/Düsseldorf (RP). Seit Montag befindet sich die neue US-Außenministerin Hillary Clinton auf Auslandsreise. Ans Ziel ihrer Mission kommt sie erst am Freitag: Peking. Am Riesen China gibt es in der Weltpolitik des 21. Jahrhunderts kein Vorbeikommen. Die neue US-Administration hat die Realitäten der neuen Weltordnung akzeptiert hat. Europa rückt in die zweite Reihe.

Der rasante Aufstieg der Wirtschaftsmacht China
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Foto: AP

Die erste Reise eines Außenministers hat traditionell hohe Symbolwert. Dass Clinton nun Asien ins Visier nimmt, ist wohlkalkuliert. Europa hat keinen Grund, sich zurückgesetzt zu fühlen. Immerhin war Barack Obamas Stellvertreter Jo Biden vor wenigen Tagen in offizieller Mission in München.

Der simple Fakt: Der asiatisch-pazifische Raum ist weltpolitisch interessanter und damit für die USA wichtiger. Chinas Rolle in der Welt gewinnt an Gewicht, insofern ist es logisch, dass die Regierung Obama die Bemühungen um das Reich der Mitte intensiviert und Clinton am Ende Peking besucht. Es geht um Absatzmärkte mit Milliarden Konsumenten, es geht um Milliarden Summen, die China in den USA investiert hat.

Neue Herausforderungen

Zudem gibt es bei den Herausforderungen der Zukunft globaler Probleme kein Vorbeikommen am Milliardenvolk im Reich der Mitte. Das gilt für die Weltwirtschafts- und Finanzkrise ebenso wie für den Klimawandel und die Zukunft der Energiesicherheit.

Am Freitag wird Clinton nun in Peking erwartet. Die Regierung in China verfolgt die Asien-Offensive der USA mit Wohlwollen. Schon vor Clintons Ankunft gibt es freundliche Signale. So kündigte China an, im Kampf gegen den Klimawandel mit den USA zusammenzuarbeiten. "Die Verstärkung der Kooperation ist im Interesse unserer beiden Länder", sagte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums am Donnerstag. Clinton wird am Freitag in China erwartet, wo sie auch mit Präsident Hu Jintao zusammentreffen soll.

Um ihren neuen Ansatz deutlich zu machen, erzählt Hillary Clinton vor ihrer Abreise eine alte chinesische Sage. Sie handelt von einer Fehde zwischen Feudalfürsten, von Soldaten verfeindeter Armeen, die sich zufällig im selben Boot wiederfinden. Ein Sturm kommt auf, die Wellen schlagen hoch, die Krieger können den aufgewühlten Fluss nur überqueren, wenn sie Hand in Hand arbeiten. Das tun sie denn auch, ihren Konflikt vergessend, worauf ein chinesischer Aphorismus beruht: Fahrt friedlich über den Strom, wenn ihr im selben Boot sitzt.

Mehr Partner als Rivale

So betont Clinton, China sei heute mehr Partner und weniger Rivale. "Einige glauben, dass ein China im Aufstieg per Definition ein Gegner ist. Im Gegenteil, ich glaube, dass die Vereinigten Staaten und China vom Erfolg des anderen profitieren", sagte Clinton.

Völlig neue Töne sind das nicht. Seit Monaten macht in amerikanischen Essays das Wort von "Chimerica" die Runde, eine Wortkombination, die prägnant eine eigenartige Symbiose beschreibt. Der traditionellen Konkurrenz zwischen "America" und dem Reich der Mitte stehen gemeinsame Interessen gegenüber. Als größter Gläubiger des Rekordschuldners USA, als ein Land, das schätzungsweise 700 Milliarden Dollar an amerikanischen Staatsanleihen hält, sitzt China in der Finanzkrise in einem Boot mit "Uncle Sam". Auch als Exportnation hat es kein Interesse daran, dass sein wichtigste Warenabnehmer in noch schwereres Fahrwasser gerät.

Diktiert von der ökonomischen Wirklichkeit, war das Verhältnis der beiden Mächte unter George W. Bush gut und sachlich gewesen, zumindest in der Spätphase Bushs. Aber in zu engem Sinne hätten die Wirtschaftsbeziehungen alles beherrscht, kritisiert Clinton. Sie will Peking auch als politischen Partner aufwerten, als Stabilitätsfaktor am anderen Ufer des Stillen Ozeans. Die Sechsparteiengespräche etwa, die Nordkorea zum endgültigen Verzicht auf Atomwaffen bringen sollen, stehen unter dem Vorsitz Chinas, was die USA ausdrücklich begrüßen. Clinton ihrerseits bietet dem isolierten Regime Kim Jong Ils einen Friedensvertrag und Finanzhilfe an, falls es sein Nuklearwaffenprogramm stoppt. Es ist eine Art Generalprobe für einen eventuellen Ausgleich im Atomstreit mit Iran — und Peking soll dabei einen Großteil der Kleinarbeit leisten.

"Transpazifische Macht"

Noch im Februar setzen sich chinesische und amerikanische Militärs wieder an einen Tisch, nachdem sie ihre Konsultationen 2008 wegen US-Waffenlieferungen an Taiwan unterbrochen hatten. Schließlich gehören auch Klimaexperten zu Hillary Clintons Delegation. Nach der aktuellsten Statistik erzeugt der aufsteigende asiatische Wirtschaftsriese mehr Treibhausgas als die Vereinigten Staaten. Ohne China, betont man am Potomac, werden neue Klimaschutz-Regelungen, die Nachfolger des Kyoto-Protokolls, allenfalls Stückwerk bleiben.

"Wir sind sowohl eine transatlantische als auch eine transpazifische Macht", sagt die Ministerin und räumt Versäumnisse ein. "Vielleicht haben wir Asien in den vergangenen Jahren nicht die angemessene Aufmerksamkeit zukommen lassen." Das dürfte sich ändern, allein die Wahl der Reiseroute setzt klare Signale. Mit Ausnahme Dean Rusks, des Chefdiplomaten John F. Kennedys, sind amerikanische Außenminister nach ihrem Amtsantritt immer zuerst über den Atlantik geflogen. Clinton ist seit fast 50 Jahren die Erste, die am Pazifik beginnt.

Das sehe man völlig entspannt, erwidern europäische Diplomaten in Washington, wenn man sie fragt, ob sich Europa zurückgesetzt fühle. Schließlich seien Briten, Deutsche und Franzosen die ersten gewesen, die von der neuen Hausherrin im State Department empfangen wurden.

(RP)
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